Warum ich trotz allem Antizionist bin...
Eine Antwort auf "Merlin den Unsichtbaren"
Ich kann vieles was Du schreibst, voll und ganz unterstützen. Wer mich, meine Texte und mein Auftreten gegen antisemtische AntiImps kennt, weiß, daß ich massiv gegen jeden - auch hinter der Maske des Anti-Zionismus versteckten - Antisemitismus auftrete. Du weißt, was für - teilweise schon handgreiflich gewordene - Konflikte ich deswegen bereits hatte.
Trotzdem bin ich Antizionist. So wie ich Anti-Kemalist, Anti-Deutschnationaler, Anti-Österreichnationaler,... bin. Als Antinationaler trete ich gegen jeden Nationalismus auf, egal ob er arabisch, deutsch, österreichisch, türkisch, kurdisch, russisch, serbisch, albanisch oder eben jüdisch ist.
Und Zionismus meint eben nicht nur ein "jüdisches Leben in Palästina". Ein solches hat es nämlich immer gegeben. Wie in der ganzen islamisch-arabischen Welt, gab es auch in Palästina immer eine kleine jüdische Gemeinde. Auch die JüdInnen im arabischen Raum wurden gelegentlich verfolgt, ermordet oder zumindest benachteiligt. Die Verfolgungen die JüdInnen, ChristInnen und andere AnhängerInnen von "Buchreligionen" im Islam erleben mußten sind jedoch in Ausmaß und Intensität nie mit jenen in Europa vergleichbar.
Der Zionismus ist eine nationalistische Ideologie, die als Antwort auf die europäischen Nationalismen des 19. Jahrhunderts entstanden ist, und als solche zwar verständlicher als diese ist, aber eben trotzdem ein Nationalismus ist. Da ich gegen jeden Nationalismus bin, bin ich somit auch gegen diesen. Da ich gegen das Konstrukt jeder Nation bin, bin ich auch gegen das Konstrukt einer "jüdischen Nation", auch wenn du das als "ethnische Gruppe" bezeichnest.
Daß sich die litauischen JüdInnen als solche fühlen mögen, ändert da nichts daran. Schließlich ändert an meinem Antinationalismus auch nicht die Tatsache etwas, daß sich die meisten ÖsterreicherInnen als "Nation" oder meinetwegen "ethnische Gruppe" fühlen.
Daß wir gerade mit der österreichischen Geschichte in der Opposition zum jüdischen Nationalismus besonders vorsichtig sein müssen, stimmt allerdings natürlich völlig, und daß im Namen des Anti-Zionismus viele Verbrechen von Linken an JüdInnen geschehen sind auch. Gerade deshalb gilt es hier sensibel zu sein und Gruppen zu kritisieren, die sich blind mit jeder PLO-Splittergruppe solidarisieren, und im linken Gewande als Antizionismus verpackt antisemitische Propaganda betreiben.
Das, was du "Friedensprozess" nennst, möchte ich trotzdem nicht unterstützen. De facto handelt es sich nämlich dabei um die Kapitulation Arafats, und seine Bereitschaft als israelischer Sicherheitschef Homelandminister zu werden. Da unterstütze ich schon lieber die israelische und palästinensische linke Opposition, sofern sie eben nicht zu nationalistisch ist. Jene eben, die sowohl gegen den israelischen, wie gegen den palästinensischen Polizeistaat auftreten. Da wären z.B. einige anarchistische Gruppen in Israel oder die israelische KP, die sich beide als antizionistisch definieren, oder eben einige sehr wohl unterstützenswerte PalästinenserInnengruppen. Sogar gemischte Initiativen soll es dort geben, aber all das ist nun wieder ein anderes Kapitel...