Schwarzfahren: Freifahrt für Alle statt Schwarzkappler-Terror
Sie verbreiten Angst und Schrecken in U-Bahnen, Straßenbahnen und Autobussen, beschimpfen Leute, lassen rassistische und faschistoide Wortmeldungen von sich hören, halten Fahrgäste der Wiener Linien brutal fest, oder schlagen sie manchmal sogar ebenso brutal zusammen: Die "Schwarzkappler".
Die KontrolleurInnen der Wiener Linien haben die Drecksarbeit für Regierung und Gemeinde zu tun. Wer sich nach dem letzten Sparpaket nicht mehr die teuren Fahrkarten leisten kann (So wurden für StudentInnen nicht nur alle möglichen Sozialleistungen gestrichen, sondern die Freifahrt der Wiener Linien gleichzeitig abgeschafft) wird von ihnen im Auftrag der Städtischen Verkehrsbetriebe verfolgt.
Faschistoide Schlägertypen
Viele der "Schwarzkappler" - die leider nur noch selten ein "schwarzes Kappel" aufhaben, und durch den Einsatz "untypischer" Personen immer schwerer erkennbar sind - machen ihren Job dabei durchaus mehr als nur gründlich. SchwarzfahrerInnen wurden bereits brutal zusammengeschlagen. Besonders AusländerInnen, von denen eine juristische Gegenwehr gegen rechtswidriges Verhalten nicht zu erwarten ist, werden von einigen KontrolleurInnen mit allen Methoden fertiggemacht, und seit einigen Jahren vermehrt auch körperlich angegriffen.
Faschistoide Statements sind jedoch auch gegenüber anderen Fahrgästen zu hören. Der Autor dieser Zeilen selbst wurde vor einigen Wochen als "Ungeziefer" bezeichnet, das "vernichtet gehört". Obwohl es den KontrolleurInnen nicht einmal erlaubt wäre, SchwarzfahrerInnen körperlich festzuhalten, geschieht das immer wieder. Trotzdem sollte mensch dies weiterhin versuchen. Wenn es gelingt zu entkommen, spart mensch sich ÖS 582.-, wenn nicht, darf die Strafe auch nicht höher werden. " Schwarzkappler" die auf die Illegalität ihres Handelns hingewiesen werden, decken sich oft gegenseitig. Der eine "Schwarzkappler" bezeugt dem anderen, plötzlich vom Fahrgast getreten worden zu sein: "Und donn derf i olles!" Immer wieder werden v.a. in Nachtbussen auch Großkontrollen mit Beteiligung der Polizei durchgeführt. Wer solch eine Kontrolle einmal erlebt hat, kann sich eine Vorstellung vom Polizeistaat machen. Tausende WienerInnen werden dadurch jährlich kriminalisiert.
Krieg gegen Obdachlose
Die besondere Härte der Wiener Verkehrsbetriebe trifft Obdachlose, die für ihre spärliche Sozialhilfe von den Ämtern zwar durch ganz Wien geschickt werden, dafür aber keine Fahrkarten zur Verfügung gestellt bekommen. Daß gerade sie sich keine teuren Fahrkarten leisten können - schließlich haben sie im Gegensatz zu PensionistInnen oder StudentInnen nicht einmal Anspruch auf irgendwelche geringen Ermäßigungen - liegt bei Obdachlosen, die von der Sozialhilfe leben müssen, auf der Hand.
Die Strafen können sie sich aber auch nicht leisten, woduch die Schulden bei den Wiener Verkehrsbetriebe immer höher werden. Denn wer gleich zahlt, zahlt 582.-, bei jeder Mahnung werden jedoch die Forderungen der Verkehrsbetriebe höher. Für Obdachlose führt so oft bereits einmaliges Schwarzfahren zu einem Schuldenberg von mehreren tausend Schilling. Wer mehrmals erwischt wird kann es in einem mehrjährigen Obdachlosenleben in Wien leicht auf 100.000 Schilling Schulden bei den Verkehrsbetrieben bringen. Eine Reihe von Obdachlosen wurden deswegen bereits eingesperrt. Da damit aber nur die Verwaltungsstrafen für die Nichtbegleichung der Schulden abgesessen werden kann, nicht aber die Schulden selbst, wächst der Schuldenberg weiter. Eine Rückkehr in ein Leben mit geregeltem Einkommen und Wohnung wird immer schwieriger.
Fahrpreiserhöhung
Nun haben die Wiener Verkehrsbetriebe mit 1.1. 1999 erneut ihre bereits im Europäischen Spitzenfeld liegenden Fahrpreise erhöht. Der Einzelfahrschein wurde ab Jänner um 2 Schilling teurer, und kostet somit im Vorverkauf bereits 19.-, in der Strassenbahn 22.-. Die 8-Tages-Umweltstreifenkarte stieg im Preis von 265.- auf 300.-, die Jahreskarte gar von 4.700.- auf 5.300.-. Einzig die Semesterkarte für StudentInnen blieb auf ihrem hohen Preis von 1.200.- für 4 Monate stehen. Zu groß war wohl die Angst der Gemeinde Wien vor weiteren StudentInnenprotesten, weshalb sie die Zuschüsse an die Verkehrsbetriebe erhöhte. Der Preis für die Ferienmonatskarte für StudentInnen stieg trotzdem um 20.- auf 350.- an.
Last not least werden auch von uns SchwarzfahrerInnen nun 582.- statt 520.- verlangt, wenn wir den "Schwarzkapplern" nicht entwischen können.
Daß sich auch die Jagd auf SchwarzfahrerInnen verschärfen könnte, hatte sich bereits letzten Herbst angekündigt. Sollten die Wiener Linien wirklich ausgelagert werden, und nur noch nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführt werden, wird sich die Situation wohl weiter verschärfen.
Schwarzfahren zahlt sich aus
Dennoch zahlt sich Schwarzfahren langfristig aus, zumindest dann, wenn mensch vorsichtig ist, und sich eventuell mit anderen SchwarzfahrerInnen zu einer SchwarzfahrerInnenversicherung zusammengeschlossen hat. Eine solche funktioniert so, daß jedeR SchwarzfahrerIn in einen gemeinsamen Topf einzahlt und dann im Falle eines Erwischtwerdens das Geld aus dem Topf zurückbekommt.
Eine solche SchwarzfahrerInnenversicherung hat auch die ÖH Uni Wien für StudentInnen eingerichtet. Diese zahlt für ÖS100.- im Monat allerdings nur einmal erwischt werden. Ein zweites Mal muß mensch selbst berappen, und das System krankt etwas an der komplizierten ÖH-Bürokratie. Trotzdem ist es eine gute Gelegenheit für Leute, die nicht selbst eine SchwarzfahrerInnenversicherung aufbauen wollen oder können. Zahlscheine dafür gibt es im Sozialreferat der ÖH im NIG in der Nähe des Uni-Hauptgeäudes.