19.09.2000

Alles in Ordnung in Österreich?

Unser Text zum Ende der EU-"Sanktionen"

Die drei "Weisen" haben also gesprochen, die bilateralen Massnahmen der EU-14 aufgehoben. Österreich bewegt sich im Rahmen der europäischen "Werte", nur die FPÖ ist böse (der Bericht stellt ihr eigentlich gar kein gutes Zeugnis aus), vor allem der Justizminister Böhmdorfer. Das stimmt zum Teil, aber was heisst das eigentlich, für Österreich, und welches Licht wirft dies auf Europa? Dazu sollte zunächst gleich einiges klargestellt werden: die Massnahmen der EU-14 folgten nicht wegen einer möglichen rassistischen oder gar faschistischen Politik der rechts-rechtsextremen Regierung in Österreich, sondern weil eine solche Konstellation einen Tabubruch in der Nachkriegsgeschichte darstellt. Vor allem in Österreich. Dazu ist noch etwas klarzustellen: Österreich ist nicht, wie so gerne behauptet wird, Opfer der Nazis, sondern an deren Verbrechen überdurchschnittlich mitbeteiligt gewesen. Wenn die österreichische Aussenministerin meint, Österreich war Opfer, weil die Nazis den Austrofaschisten Dollfuss ermordet haben, ist das kein Freispruch im historischen Sinne. In Österreich ist nichts in Ordnung. Die europäischen "Werte" sind höchstens geeignet, Spuren zu verwischen.

Stichwort Asylpolitik

Es stimmt, wenn behauptet wird, Österreich hebe sich nicht sonderlich von anderen EU-Staaten ab, was restriktive Asylpolitik betrifft. Und es hat auch Todesfälle bei Abschiebungen in ganz Europa gegeben. Bloss, wir haben immer darauf hingewiesen, wie menschenverachtend eine solche Politik ist, und deswegen immer die EU hart angegriffen. Was aber in Österreich anders ist, ist der Umgang damit. Wenn gegen die Ermordung des Nigerianers Marcus Omofuma durch österreichische Beamten während seiner Abschiebung protestiert wird, kommt das Konstrukt vom afrikanischen Drogendealer (lanciert vom damaligen SPÖ-Innenministerium unter Karl Schlögl, der Polizei, der Kronen Zeitung, und, wen sonst, der FPÖ) daher. Und es wandern dafür über 100 Menschen in den Knast, werden in Schauprozessen abgeurteilt. Und weil dieses Konstrukt so gut funktioniert, wählen die Leute die FPÖ. Weil die macht gleich Nägel mit Köpfen.
Es stimmt zwar, dass all das schon von den Vorgängern der FPÖ praktiziert wurde, und dass die FPÖ dies nicht sonderlich forciert hat, ABER: Die Todesfälle im Zusammenhang mit (mutmasslichen) Drogendelikten im Polizeigewahrsam oder bei Amtshandlungen haben seit der Regierungsbildung zugenommen. Ebenso wie die Stimmung in der Bevölkerung noch rassistischer, autoritärer geworden ist. Auch in der Justiz.

Apropos Justiz:

Wie richtig festgestellt wurde, hat seit der FPÖ-Regierungsbeteiligung eine wahre Verurteilungswelle gegen FPÖ-GegnerInnen stattgefunden. Das liegt vielleicht einerseits an vorauseilendem Gehorsam, aber vielmehr daran, dass der Justizapparat schon lange von deutschnationalen Burschenschaftern durchsetzt ist (die aus demselben Lager wie Teile der FPÖ kommen), die nun ihrer Überzeugung freien Lauf lassen.

Und die ÖVP?

Genaugenommen ist sie eine Partei, die aus dem Lager des Austrofaschismus hervorgegangen ist. Das soll keinesfalls verkürzt heissen, die ÖVP sei faschistisch, aber mit einem rechtsextremen Regierungspartner lässt es sich nun mal autoritärer leben. Und genau diese Strömung hat in der ÖVP nun die Oberhand, auch antisemitische Kommentare zur ZwangsarbeiterInnendebatte sind dann aus diesen Kreisen zu vernehmen.

Es brechen die Dämme

Nun wird eine Regierungsbeteiligung der FPÖ als normal angesehen, ÖVP-Funktionäre können sich über jüdische Menschen auslassen, SPÖ-Politiker (z.B. der ehemalige Innenminister Schlögl) können darüber räsonieren, ob nicht das Verhältnis zur FPÖ geändert werden sollte. Und was kommt noch? Die FPö verfestigt ihre Machtstrukturen in Österreich. Die extreme Rechte hat, im Gegensatz zur Linken, den Marsch durch die Institutionen erfolgreich angetreten.

Wir gratulieren

Rückwirkend gesehen, haben die "Sanktionen" zweierlei bewirkt. Einerseits konnte die Regierung Massnahmen (soziale Verschärfungen, Grundrechtsabbau,...) umsetzen, die sie sonst wahrscheinlich wesentlich schwerer durchgebracht hätte, wären sie nicht im Nebel der Sanktionen untergegangen. Andererseits haben genau diese Sanktionen aber auch ärgere Repression verhindert.

Ach, Europa!

Wenn all das den europäischen "Werten" entspricht, ist es wohl mit Europa nicht weit her (was wir ohnehin nicht geglaubt haben), oder wie in der Israelischen Tageszeitung "Haaretz" richtig bemerkt wurde, dann "ist Europa Haider."
Wenn Europa heisst: Ausländer raus! Nieder mit der Opposition,... können wir nur sagen:

NEIN ZUR EU! JA ZU SANKTIONEN!

{rosa antifa wien}