10/2006

Rassismus hat System!

In Wien ist die Allgegenwart von Rassismus nicht zu übersehen - auch für jene, die nur zu gerne die Augen vor der Realität verschließen oder sich diese zu Recht schönen. Ein kleiner Spaziergang durch die Stadt reicht aus, um sich ein Bild davon zu verschaffen. Überall ist es zu lesen: "Neger raus" oder "Tötet Neger". Ob in Telefonzellen, an Hauswänden, oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln - die "Botschaften" der RassistInnen sind allgegenwärtig.

Schlägt mensch die "Neue Kronen Zeitung", die bei weitem auflagenstärkste Tageszeitung des Landes, auf, setzt sich die Hetze unverblümt fort. Gelesen von der ganzen Familie, im "aufrechten" österreichischen Haushalt wird das Gelesene selbstverständlich nur zu gerne geschluckt und wiedergekäut. Selbst haben alle auch noch ein kleines Geschichterl zur intellektuellen Unterfütterung in Petto, vom "Ausländer", der sich verbrecherisch am "österreichischen Volke" vergangen habe.

Mit Garantie ...

...kann mensch sich in Österreich darauf verlassen, Zuspruch zu finden, wenn sich purer rassistischer Propaganda bedient wird. Je hemmungsloser gehetzt wird, desto umfassender die Freude - als Belohnung gibt es wenigstens ein Kreuzerl auf dem Wahlzettel. Mit "Deutsch statt nix versteh´n" oder "Daham statt Islam" klappt es garantiert auch mit dem Nachbarn - am Stammtisch versteht sich. Dabei bleibt "der Islam" eine leere Fläche. Es wird hinein interpretiert, was geht - und selbst die widersprüchlichsten Anschuldigungen funktionieren unter einem gemeinsamen Deckmantel: So muss die Türkei häufig als Prototyp eines islamischen Staates herhalten - die Türkei ist sicher der am offensten repressive Staat mit EU-Naheverhältnis, im Vergleich zu österreichischen Verhältnissen ist er aber wesentlich laizistischer geprägt. Die IslamistInnen als Feindbild taugen deswegen, weil es sie hierzulande kaum gibt - und die außerhalb Österreichs verstehen sich ausgerechnet mit denen bestens, die sie hier als rassistische Projektionsfläche einsetzen. So funktioniert in Österreich das Heraufbeschwören der "Gefahren des Islams" selbst dann noch perfekt, wenn Anschläge hierzulande ausschließlich GEGEN Menschen muslimischen Glaubens gerichtet sind und nicht von diesen begangen werden.

Das angebliche "Wir"

Besonders fundamental bleibt das nationalistische Identitäts-Konstrukt des "Wir Österreicher". Als reale Kategorie ist das ganze Gebilde aber leider nicht ganz einfach zu dekonstruieren, zu konkret sind die realen Auswirkungen, zu einfach wäre es, das Bild einer ohnehin wackeligen Konstruktion mit sich zu tragen. Zur Nation dürfen freilich nur jene gezählt werden, die optisch "der österreichischen Norm" entsprechen und sich der vollständigen Assimilation ergeben haben. Offensichtlich übernimmt sogar das Schweinsschnitzerl einen wichtigen identitären Part: So reicht es schon für einen mittleren lokalen "Skandal" aus, wenn Eltern in Schulen das Schweinschnitzelfressen hinterfragen und Alternativen verlangen. Prompt orten FPÖ und ihre rassistischen Gesinnungsgenossen "den Untergang des Abendlands"! So absurd das für uns klingen mag - so wenig amüsant sind die Hintergründe: Menschen mit Migrationshintergrund werden in Österreich auf vielfältigste Art gezwungen, vermeintlich ur-österreichische - in der Realität so nie existente - Brauchtümer zu übernehmen. Ständig wird der Wille zur "Integration" eingefordert. Vollkommen stupide Übungen wie regional unterschiedliche "Staatsbürgerschafts-Tests" - bei denen ohnehin ein Großteil der ach-so-echten Ösis durchrattern würde - werden gesetzlich festgeschrieben. Der Nationalismus ist schlicht zum Kotzen - die alte rassistische FPÖ-Parole von "Österreich zuerst" wurde zunehmend Konsens. Wer nicht im katholisch-nationalen Identitätsscheiß mitfiebert, wird schnell zum Feind erklärt. Mit weniger plakativen Parolen - aber umso aggressiveren Gesetzen - prägt die ÖVP das rassistische System mit.

Rückenwind

Mit einem gesetzlich festgeschriebenen rassistischen Konsens - wie den letzten "Fremdenrechtspaketen" - als Rückenstärkung ist eine entsprechende "Interpretation" von PolizistInnen selbstverständlich. Erst das ermöglicht der Exekutive, mit Menschen, die keine oder kaum eine gesellschaftliche Lobby haben, weitgehend unbemerkt und vor allem ungestraft "nach Belieben verfahren" zu können. Und so sind leider rassistische Angriffe der österreichischen Polizei auf Menschen, die ihren Mustern nach nicht genügend "österreichisch" aussehen, an der Tagesordnung - es handelt sich hier nicht um Einzelfälle, das hat System! Unter Generalverdacht steht jedeR, der/die nicht durch die staatliche "Gesichtskontrolle" kommt. Nur manchmal gelangen gewalttätige Attacken an die Öffentlichkeit - wie es in der Realität ausschaut, lässt sich also nur vermuten. Prügelnde Beamte erfolgreich vor Gericht zu bringen, ist nahezu unmöglich - einE verständnisvolle RichterIn hat sich noch allemal gefunden. Die gängige Praxis wird so zusätzlich legitimiert!

Folter im Staatsdienst

Führen wir uns doch den Wahnsinn vor Augen: Polizisten, die Marcus Omofuma im Mai 1999 gegen seinen Willen abschoben, fesselten, ihm den Mund verklebten und zu Tode quälten versehen nach wie vor ihren Dienst - mit einer kleinen Abmahnung von 8 Monaten bedingter Haft und viel Verständnis, ja fast schon Schulterklopfen, seitens der Richter und mancher Medien. Der jüngste Fall um die Folter von Bakary J. macht noch einmal klar, dass sich an der menschenverachtenden Praxis nichts geändert hat. Trotz eines (weitgehend zahnlosen) Menschenrechtsbeirates - der ohnehin nur widerwillig und auf Druck der EU installiert wurde - kommt es weiterhin zu massiven Übergriffen seitens der Polizei. Es ist dramatisch, wie viele Menschen der Willkür und dem Hass von Behörden und Exekutive schutzlos ausgeliefert sind - sie werden zu Tode geknebelt, gefoltert und immer wieder sterben Menschen unter nie aufgeklärten Umständen in der so genannten Schubhaft.

Abschottung

Über Jahre hinweg wurde die "Festung Europa" zu einem Gebilde, dessen äußeres Bollwerk längst nicht mehr an den Grenzen der EU verläuft, sondern - im Zuge einer Externalisierung - weit davor aufgebaut ist. Die Mauern ziehen sich nicht nur um Europa, sondern auch durch Europa hindurch - alle ausgebaut, um Menschen daran zu hindern, Grenzen zu überschreiten. Grenzen, diese willkürlichen Striche auf der Landkarte, werden mit enormen finanziellen Ressourcen und hohem Aufwand "geschützt" - ob Küstenwachen oder (Bundes-)Heere, sie alle haben die Aufgabe, Menschen, die von Staats wegen "Illegale" genannt werden, an einer Einreise zu hindern. Viele kommen beim Versuch, in die "Festung Europa" zu gelangen, ums Leben. Andere, die es schaffen, werden in Lagern zusammengepfercht und harren dort einer ungewissen Zukunft. Ohne (Menschen-) Rechte, denn diese sind den "Europäischen BürgerInnen" vorbehalten. Wer bleiben darf, sieht sich dann mit einer sozialen Abschottung durch die rassistischen Gesellschaften konfrontiert.

Weggesperrt

Schubhaft - für Medien und PolitikerInnen ein lieb gewonnenes Wort - ist ein wunderbares Instrument für Behörden. Willkürlich können sie Menschen, deren "Delikt" es ist, in Österreich ohne österreichischen Pass zu leben, für bis zu 10 Monate wegsperren. Oft wissen die Betroffenen nicht einmal, warum sie verhaftet werden, geschweige denn die Dauer der Internierung unter menschenunwürdigen Bedingungen und ohne Perspektive. Der einzige Weg aus dieser extrem belastenden Situation ist für viele ein Hungerstreik, der - neben anderen Formen der Selbstverletzung - oft die einzige Möglichkeit ist, aus der Schubhaft entlassen zu werden. Mit dem so genannten Fremdenrechtspaket 2005 wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Zwangsernährung von Hungerstreikenden in Schubhaft geschaffen - eine klare Verschärfung der repressiven Maßnahmen: Zwangsernährung ist ein massiver körperlicher Eingriff, der ohne Ausübung von Gewalt nicht möglich ist. Die Schubhaft muss abgeschafft werden - sofort!

Kein Phänomen

Entgegen einer gern gepflegten Darstellung ist Rassismus kein Phänomen, das bloß von der extremen Rechten gepflegt wird, er ist ein integraler Bestandteil aller liberalen europäischen Staaten. Wie fließend die Grenzen von Rassismus sind, zeigen hierzulande nicht zuletzt der zunehmende Eingang von rassistischen Stereotypen oder Verteidigungsstrategien in liberale Medien oder in einen so genannten liberalen Gesellschaftsdiskurs. Das Problem stellen auch bei so manchem ach-so-liberalen Schreiberling nicht die eigenen rassistischen Stereotype, sondern diejenigen die dieselben aufzeigen, dar. Auch die Kritik an rassistischer Türsteherpolitik in alternativen Lokalen führt keineswegs zu selbstreflektierten Diskussionen, sondern zu Angriffen auf die wenigen Institutionen und Gruppen, welche sich tatsächlich kontinuierlich mit allen Formen von Rassismen beschäftigen.

Grausame Übergriffe, Hetze und Demütigungen durch die Polizei, durch SanitäterInnen, PolitikerInnen oder "Aktiv-BürgerInnen" passieren dauernd, nicht irgendwo sondern HIER, direkt vor unseren Nasen. Wir alle müssen aktiv handeln - denn so kann es nicht bleiben!

Alle Grenzen auf für alle!
- weltweit!

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