01/2011

Österreich abschalten!

Flugblatt in einer zweiten, aktualisierten Version.

Der braune Sumpf in Österreich köchelt kräftig vor sich hin. Was früher noch den Niederungen des viel beschworenen “Stammtischs” vorbehalten war, gilt inzwischen als gängiger Wahlslogan. Vollkommen enthemmt wird rassistische Hetze betrieben, für antifeministische "Heim-Herd-Mutterkreuz”- oder völkische “Blut und Boden”- Werte geworben, gegen Homosexuelle gewettert und die "Heimat" abgefeiert. Und das natürlich mit Erfolg - auf Empörung und Widerstand stößt man mit solchen Hassparolen selten. Stattdessen gibt es Zustimmung, Jubel und vor allem: Stimmen - das haben inzwischen alle Parteien kapiert. Umweltthemen ziehen besser wenn es um Heimat geht - so kann auch Grün im konservativen Eck fischen. Die SPÖ und ÖVP haben sich in Sachen rassistischer "Asylgesetze" ohnehin noch nie was geschenkt. ÖVP und BZÖ und FPÖ versuchen sich hektisch gegenseitig rechts zu überholen.

Österreich hat seine eigene Auffassung von Geschichte. Nach dem Motto "was nicht passt wird passend gemacht" - wird alles, was nicht so ganz in das “nationale Selbstbildnis” passen will, oder gar eine Auseinandersetzung erfordern würde, ganz simpel verdrängt oder zurechtgelogen. Die österreichische Form der Geschichtsklitterung ist dabei eine mit einem besonders hohen Zuckeranteil: Statt einer Auseinandersetzung mit der Rolle Österreichs im Nationalsozialismus gibt es Mozartkugeln und Monarchie-Chic.

Das wohl prominenteste Beispiel: Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein und es kam zur Annexion durch das Dritte Reich. Dieser Einmarsch wurde auch "Blumenfeldzug" genannt, da zehntausende Blumen der Armee des Dritten Reiches zeigten, wie sehr sie willkommen war. Ab dem Tag des Einmarsches kam es zu Pogromen gegen Jüd_innen durch die österreichische Bevölkerung, am 15. März sprach Adolf Hitler am Heldenplatz zu mehr als 250.000 jubelnden Menschen.

Fakten, die aber auch heute noch gerne verharmlost werden, so passt es bestens ins Bild, dass "Kaisersohn" Otto Habsburg auf Einladung der ÖVP im März 2008 ausgerechnet bei der offiziellen Gedenkveranstaltung seine verharmlosenden Sicht der Geschichte vor dem Parlament vorbringen konnte. In seiner Rede behauptete er unter anderem, dass diese Massen, die Hitler zujubelten, nicht viel anders seien, als Fans die zu einem Fußballspiel gehen. Auch seine Behauptung, dass Österreich nur ein Opfer war, und sich nicht aktiv an dem Terror der Nazis beteiligte, muss als unverschämte Lüge benannt werden.

9. November 1938: Das Novemberpogrom stellte in Deutschland eine neue Ebene der Verfolgung von Jüd_innen dar, hierzulande war der 9. November nur Aufgrund seiner Größe etwas Neues - bereits seit dem Anschluss fanden regelmäßig Pogrome statt. Die Propagandazeitung "Der Stürmer" lobte die Österreicher_innen entsprechend für ihrer rege Beteiligung an der Verfolgung von Jüd_innen und empfahl gar den "Alt-Deutschen"sich ein Beispiel an den Österreicher_innen zu nehmen. Auch die direkte Beteiligung an der Umsetzung der Shoah, der industriellen Massenvernichtung im dritten Reich, war überdurchschnittlich hoch, so waren die meisten Mitarbeiter_innen in der damit betrauten Eichmann-Behörde Österreicher_innen, sie stellten rund drei Viertel des Personals.

Trotzdem kam es nach dem Krieg zu der Legendenbildung, dass Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei - eine Mär, die bis heute weiter getragen wird. Die historischen Fakten sprechen freilich eine andere Sprache: Die Österreicher_innen waren selbst maßgeblich am Naziterror beteiligt. Der 8. Mai 1945 - der Tag an dem die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapitulierte - wird in vielen Ländern als "Tag der Befreiung" gefeiert. Nicht so in Österreich: Hier wird dieser Tag von vielen nicht als Beginn der Befreiung, sondern als jener der Besatzung gesehen.

In Österreich war es eine Befreiung für jene, die die Konzentrationslager sonst nicht überlebt hätten, für die, die sich bis zum letzten Kriegstag verstecken mussten, und allenfalls noch für diejenigen, die längst schon die Schnauze voll hatten. Dass es die vielen Täter_innen nicht als Befreiung empfanden, liegt auf der Hand. Zumindest damals hatten sie allen Grund, sich vor ihrer Verantwortung zu fürchten. Dass es dann in den meisten Fällen doch nicht so weit kam, liegt daran, dass sich in Folge ALLE Parteien geradezu um die ehemaligen Nazis rissen. Schließlich galt es die Stimmen von 700.000 ehemaligen NSDAP-Mitgliedern zu gewinnen. Nicht wenig Alt-Nazis blieben unbehelligt, machten Karriere und bekleideten hohe Positionen in den Universitäten, Gerichten und in der Wirtschaft. Die vorherrschende Meinung im kleinen schnitzelförmigen Land ist: "Lasst die Geschichte ruhen - es ist genug und schon so lange her". Das gilt freilich nur für jene Teile, die unangenehm sein könnten - partielles Vergessen ist gewünscht. Das Fehlen einer offenen Auseinandersetzungen mit der eigenen Schuld hat Folgen, welche die Gesellschaft und ihre Grundeinstellung bis heute nachhaltig prägen. Rechtes, nationalistisches und rassistisches Gedankengut ist schon rein aus "Tradition" bestens verankert. Und das nicht nur an den Stammtischen sondern auch am politischen Parkett, in Funk und Fernsehen und - natürlich nicht zu vergessen - den Printmedien.

Medienlandschaft

2,8 Millionen Leser_innen hat die auflagenstärkste Zeitung Österreichs, eine Dominanz, die sie zu einer zentralen meinungsbildenden Instanz macht, die umgekehrt aber auch die Vorurteile der Bevölkerung erschreckend gut wiedergibt. Tag für Tag rassistische Hetze, (hetero)sexistische Stereotypen, Nationalismus und Patriotismus pur - die Feindbilder sind klar abgesteckt: Alles was nicht der gewünschten (rechten) Norm entspricht, wird verteufelt.Ein Blick ins öffentlich rechtliche Fernsehen lässt ebenfalls nichts gutes vermuten: Kritische Berichterstattung sucht mensch hier meist vergeblich, dafür gibt es einen Überfluss an Hofberichterstattung - hier und da gespickt mit ein paar rassistischen und sexistischen Bemerkungen nebenbei. Auch die Expert_innen-Auswahl ist immer wieder beeindruckend - so wird nicht einmal davor zurückgeschreckt, rechtsextremen "Historikern" eine Plattform zu bieten, rechtsextreme Politiker_innen gehören ohnehin zu Dauergästen in Talkshows und “Diskussions”-Sendungen.

Rechtsextremismus

Die Rechte in Österreich hat seit jeher mit dem einem oder anderem "kleinen" - nennen wir es "Abgrenzungsproblem" - zu kämpfen, oder besser gesagt: Es gibt so viele Verschränkungen zwischen den extrem rechten Parteien und offen neonazistischen Gruppierungen, dass es schwer ist den Überblick zu behalten. Dass sich in der FPÖ haufenweise rechtsextreme Burschenschafter tummeln, darf als hinlänglich bekannt angenommen werden, auch die eine oder andere personelle Überschneidung mit der Neonaziszene ist kein sonderliches Geheimnis. Insofern verblüfft es nicht weiter, wenn bekannt wird, dass der Partei-Chef noch vor einigen Jahren gerne mal ein bisschen bei Wehrsportübungen im Gatsch herumgehüpft ist, oder schon mal "drei Bier" mittels Kühnen-Gruß (Anm.: ein in der Neonaziszene gebräuchlicher Ersatz für den verbotenen Hitler-Gruß, bei dem drei Finger abgespreizt werden) bestellt hat. Einschlägige Fakten, die in Österreich aber ohnehin kein Hindernis für eine "strahlende politische Karriere" darstellen. Denn mit verständnisvollen Reaktionen kann gerechnet werden, nicht nur von den "Gesinnungskameraden", selbst die SPÖ ist sich nicht zu blöd in den Kanon der Verharmlosung einzustimmen. Einen "Mangel" an rechtsextremen und neonazistischen Gruppierungen gibt es in Österreich aber ohnehin nicht. Trotz der offensichtlichen Positionierungsprobleme - immerhin ist rechts von der FPÖ nur mehr recht wenig Platz ohne gleich im Bereich des Verbotsgesetz zu landen - bekommen sie Zulauf.

Heimat im Herzen -> Scheiße im Hirn

Rechtsextreme "Inhalte" - ob rassistische Hetze, "Frauen an Herd und Wiege"-Kampagnen, Antisemitismen oder Parolen wie "Mehr Mut für unser Wiener Blut" - kommen gut an. Kein Wunder - befinden sie sich damit doch direkt im Takt des rot-weiß-roten Herzschlages. Menschen, die nicht in die gewünschten Norm passen (oder passen wollen) haben es schwer - müssen tägliche Hetze ertragen und nicht selten kommt es zu (verbalen) Übergriffen durch die Bevölkerung und/oder die Exekutive. Kritische, linke, emanzipatorische Inhalte & Lebensweisen haben es hierzulande nicht einfach, und wer sich organisiert, wird zunehmend kriminalisiert: Seien es politische Aktivist_innen, denen kriminelle Organisationen vorgeworfen werden oder, weitaus prekärer, Bettler_innen und Migrant_innen.

Fight!

Als Antifaschist_innen reicht es uns nicht, uns lediglich mit neonazistischen Kleingruppierungen auseinander zu setzen, oder gegen offensichtliche rechtsextreme Äußerungen aufzutreten. Es ist wichtig die Kontinuitäten und gesellschaftlichen Zusammenhänge aufzuzeigen. Antifaschismus alleine ist kein emanzipatorischer Ansatz. Antifaschismus ist eine Selbstverständlichkeit, aber wenn darüber hinaus nicht der alltägliche (Hetero)Sexismus, die Homo- und Transphobie angegriffen wird, der in den Köpfen tief verankerte Rassismus und Antisemitismus bekämpft und die Mainstreamgesellschaft mit ihrer Verwertungslogik, den "Wir-müssen-sparen"-Fantasien, ihren Kontrollbestrebungen einfach stillschweigend akzeptiert wird - was ist dann die Perspektive?

Wenn dir die HERRschenden Zustände nicht passen - dann tu was dagegen! Du brauchst dafür weder Parteien oder parteitreue Jugendorganisationen noch Menschen, die für dich sprechen. Bild dir deine Meinung, diskutier mit deinen Freund_innen, schreib was du Scheiße findest, mach Aktionen - und vor allem: Sprich für dich selbst! "Do-it-yourself" ist wunderbar!

Wir wollen kein besseres Österreich - wir wollen gar kein Österreich!
Wir wollen eine Welt ohne Grenzen auf den Landkarten und ohne Grenzen im Kopf!

Für freies Leben und Anarchie!

Und damit Basta!

{rosa antifa wien}