Wer Armut sät ...

Das Ende der Sozialpartnerschaft

Die Empörung über die Empörung schlägt wieder die üblichen Wellen österreichischer Gemütserregungen: Da kürzt die rechts-rechtsrechte Regierung, erwartungsgemäß, die Sozialleistungen zusammen. Und selbstredend betreffen diese Kürzungen vor allem Leute, die nicht der Klientel der Rechten angehören. 

Da kann sich die FPÖ noch so geschickt als "Arbeiterpartei" gebärden, ihr wahres Gesicht offenbart ihre "Regierungsarbeit". Ja, sie haben doch nicht umsonst jahrelang gegen "Sozialschmarotzer" agitiert. Und wer es genau wissen wollte, wüßte schon immer, was die da unter die "Ordentlichen und Tüchtigen" verstanden haben. Nämlich diejenigen, die gewillt sind zu kuschen, nichts zu verlangen und gegen alles "Andere" hetzen.

Die Organisationen der Sozialpartnerschaft, insbesonders diejenigen der Arbeitnehmer, waren der FPÖ immer schon ein Dorn im Auge. Denn eine solche, starke, Institutionalisierung von Interessen steht den Zielen nach einer starken, autoritären "Dritten Republik" im Wege. Den wirtschaftlichen Plänen, die Systeme sozialer "Absicherung" durch einen wilden kapitalistischen Sozialdarwinismus zu ersetzen, sind sowohl die "Kampf-" und Vertretungsorganisationen als auch die Versorgungsinstitutionen á la Sozialversicherungsanstalten im Wege. Und damit steht die FPÖ wieder einmal in unschöner Tradition: "Die Gewerkschafts- und die Krankenkassenpaläste wurden zu Brutstätten der roten Volksverhetzung." (Rosten Curt, 1933) Diese Aussage hätte auch von sehr hohen Funktionären der FPÖ stammen können.

Und die ÖVP, lange Zeit tragende Säule der Sozialpartnerschaft, emanzipiert sich von ihrer eigenen Geschichte. Jetzt wird nicht mehr lange nachgefragt, es wird gemacht. Und auch die "eignen" Organisationen wie Handelskammer, Wirtschaftskammer und Bauernbund haben nicht wirklich etwas zu sagen. Mit der FPÖ hat sie den passenden Partner gefunden, um autochthon ihre Ziele durchzusetzen.

Beide verfolgen ökonomisch die gleichen unsozialen Linien. Es mag vielleicht Abstufungen geben, was die Förderung der eigenen Klientel betrifft, aber momentan herrscht Einigkeit, bei den Massen zu holen, was der Klientel versprochen wurde.

Hinter dem gestellten Ziel "Nulldefizit", medial perfekt propagiert und von der "Opposition" ziemlich fraglos akzeptiert, wird ein riesiger Abgrund an Ungerechtigkeit und Gemeinheit transportiert. Und darüber wird nicht mehr diskutiert! "Es können die Studenten auf die Straße gehen, alle die es gibt in Österreich, es können alle Beamten gehen: Es wird dieses Paket nicht verändert werden." (Finanzminister Grasser, 28. September 2000, Der Standard online)

Ja, diese Regierung gibt sich stark und unerbitterlich. Sie knallt etwas auf den Tisch und es wird so geschluckt werden müssen. Verhandelt wird nur über Zustimmung und nicht mehr über Änderungen. Diese Regierung hat binnen einem halben Jahr eine Institution entmachtet, die halbes Jahrhundert lang, die sozialen und ökonomischen Bedingungen in diesem Land maßgeblich gestaltet hat.

Die Friedhofsruhe des "Sozialen Friedens", die Österreich dominiert hat, wurde mit der Sozialpartnerschaft zu Grabe getragen. Die Organisationen der Arbeitnehmer müssen sich radikalisieren, wenn sie, wie von FPÖ/ÖVP-Regierung gewünscht, nicht auf den Misthaufen der Geschichte landen wollen. Ihre bisherige Legitimation, bei Lohnverhandlungen, Sozialgesetzgebung und Budgetplänen die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, ist ihnen durch diese Regierung abhanden gekommen.

Von Verzetnitsch: "Wir sprechen nicht von Generalstreik, aber es ist uns ernst" (29. September 2000, Der Standard Online) zu Kaske "Unsere Gewerkschaft ist gerüstet. Wenn einmal dieses Arbeitslosenheer marschiert, dann brennt die Republik" (29. September 2000, Der Standard Online), die Gangart wird härter. Und es wissen natürlich alle, daß besonders unter den österreichischen Verhältnissen, diesem Verbal-Radikalismus keine entsprechenden Taten folgen werden. Vielleicht aber normale gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen.

Und diese sind es, die der Regierung an sich schon ein Dorn im Auge sind. Sie wünschen sich die Friedhofsruhe weiterhin, ohne für das soziale Gerüst einer solchen aufkommen zu wollen. Es ginge dieser Regierung schon zu weit, wenn sie sich ernsthaft zu Verhandlungen herablassen würde. Dies widerspräche ihrem Ziel, Durchzusetzen. Und jede konservativ-rechtsrechte Regierung wird versuchen, die Macht der Gewerkschaften "zu brechen". Und die beste Möglichkeit dazu ist, den Gewerkschaften die Möglichkeit zu nehmen, Forderungen durchzusetzen. Eine solche Regierung versucht allein für alles Glück und Unglück zuständig zu sein. Und sie scheuen nicht davor zurück, sich propagandistisch dafür zuständig zu erklären. Die FPÖ behauptet, ganz frech, die neue Partei der Arbeiterrechte und des Sozialen zu sein. Daß dies einfach nicht stimmt, tut nichts zur Sache.

Und was sie fürchten und von den Gewerkschaften eher schlecht als recht repräsentiert wird, ist die Rückkehr der Klassenkämpfe von unten. Aber, wer den Leuten das Einkommen kürzt, und das ist der Kern der Regierungspolitik, muß mit dem Widerstand der Betroffenen rechnen.

Und wie lange die blaue Augenauswischerei dagegen anwirken kann, ist nicht vorhersehbar. Denn genauso wie in der Verarmung die Leute Sündenböcke suchen können, ist das Gegenteil, die Auflehnung gegen die Ursachen ihrer sozialen Lage, ebenso möglich.

Die Regierung fürchtet um den sozialen Frieden, weil sie zündelt; die Grundlagen für ein halbwegs brauchbares Auskommen kappt. Es sind nicht irgendwelche verbal-radikale Sager von Gewerkschaftern, die den hochgelobten Frieden gefährden, es sind die Sparpolitik und der Sozialabbau.

{Völlig intransingente Anarchisten im RBH}