Die Zivildienstnovelle 2000 und der Protest dagegen

Rückblick und Perspektiven

Die Streichung des täglichen Essensgeldes der Zivildiener von 155,- auf 43,- Schilling (d. h. ca. 3500,- Schilling monatliches Gesamteinkommen) durch den VP-Innenminister Strasser war vielleicht ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Schritt des Schwarz-blauen Sozialabbauplanes. Erstmals wurde einer ganzen Bevölkerungsgruppe der Lohn unter das Existenzminimum gekürzt.
Ein Testlauf, um herauszufinden, was unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen in Österreich punkto Umverteilung von unten nach oben machbar ist. Das Experiment ist geglückt. Außer zaghaften Protesten einiger direkt Betroffenen war kein spürbarer Widerstand vorhanden. Ergebnis des Protestes: Das Innenministerium gibt einen Ernährungsplan (vom Katastrophenschutzplan abgeschrieben) heraus, wie man mit 43,- Schilling täglich ausreichend Kalorien zu sich nehmen kann. Das Papier auf dem der Ernährungsplan geschrieben ist, hat wohl auch einen Nährwert.

Das alles hatte natürlich verschiedenste Gründe, die ich hier aus subjektiver Sicht darstellen will:

- Schlechte Grundvoraussetzungen: Um einen effektiven Protest der direkt Betroffenen, also der Zivildiener zu erreichen, gab es vorweg zahlreiche Hindernisse: keine gewerkschaftliche Organisierung, relativ kurze Zeit eine derartige Organisierung aufzuziehen. Viele Zivis sind auf das ganze Land verstreut, d. h. es ist schwer möglich, einander zu kontaktieren. Zudem kommt, daß die einzelnen Zivis aus sehr unterschiedlichen sozialen Verhältnissen kommen. Für die einen waren die Maßnahmen existenzgefährdend bzw. haben zu hohen Schulden geführt, für manche andere war es eine leicht erträgliche finanzielle Belastung.

- Zentralisierter Protest: diverse einschlägige Gruppen und sog. Plattformen haben zwar immer wieder beteuert, sie wollen eine wirkliche Selbstorganisierung der Zivis, bis zuletzt waren aber (fast) alle Aktivitäten zentral geplant und gesteuert. Das hat die Eigeninitiative und selbstbestimmten Protest eher gehemmt als gefördert.

- Bewußt "braver" Protest: Wenige Hauptorganisatoren setzten durch, daß die Protestierenden möglichst diszipliniert und ruhig - sprichwörtlich in Reih' und Glied stehend, ihrem Unmut Ausdruck verliehen - mit dem Argument, man wolle ja schließlich ein gutes Bild in der Presse abgeben (daß die Presse zumeist aber an spektakulären Berichten interessiert ist, ist eine andere Geschichte). Dadurch wurde jegliche Wutäußerung und Eigeninitiative der protestierenden Zivis abgetötet.

- Themenverfehlung: Einige Organisatoren waren der Meinung, die Regierung dürfe nicht als ganzes angegriffen werden, sondern nur ihre Zivildienstmaßnahmen. Dadurch wurde die Chance verspielt, daß sich andere stärker mit dem Ziviprotest solidarisieren könnten. Andererseits ist diese Forderung nichts als politische Dummheit: sie ignoriert, daß Sozialabbau und Militarismus zu den grundlegenden Pfeilern des Regierungsprogrammes gehören.

- Die Suche nach den falschen Verbündeten: Als ersten Akt kollektiven Protestes wurde der Volksanwalt Dr. Schender aufgesucht, um ihn das Leid der Zivis zu klagen: Schender ist Abgeordneter der FPÖ und damit zwangsläufig mitverantwortlich für die Regierungspolitik. Abgesehen davon legitimiert jegliches Verhandeln mit der FPÖ diese rechts-rechte Regierung und ihre Maßnahmen. Ebenso wurde mit Innenminister Strasser (VP), der ja der Haupt-Urheber der Zivildienstkürzungen ist, verhandelt, ohne irgendeiner Verhandlungsgrundlage, geschweige denn einen bestimmten Auftrag durch die direkt Betroffenen. Effekt: Strasser konnte sich öffentlichwirksam als gesprächsbereiter Ziviminister inszenieren. Außerdem wurden die Zivildiensteinrichtungen quasi als gleichgestellter Partner im Kampf gegen die Regierungsmaßnahmen gesehen. Daß es aber gerade jene Einrichtungen sind, die von der Ausbeutung der Zivis profitieren, wird dabei ausgeblendet.

- Positive Bezugnahmen auf den Zivildienst: Der Zivildienst wurde niemals als ganzes kritisiert, auch nicht der Wehrdienst oder die Umfassende Landesverteidigung, in die der Zivildienst eingebettet ist. Daß der Zivildienst schon vor der Novelle schlechtbezahlte Zwangsarbeit war und im "Notfall" Kriegsdienst ohne Waffe bedeutet, wurde verschwiegen. Über Dienstzeitverkürzungen wurde erst sehr spät breiter, über Lohnerhöhung gar nicht.

- "Selbstauferlegtes" Streikverbot: Klarerweise gibt es für Wehr- oder Zivildiener kein Streikrecht. Das Streikrecht ist jedoch ein demokratisches Grundrecht, daß von ArbeiterInnen erkämpft werden mußte. Für Zivis soll offenbar ein demokratisches Grundrecht nicht gelten. Also muß es erkämpft werden. Und wie am besten, braucht hier wohl nicht erwähnt werden.
Durch kollektives Auftreten, durch massiven und öffentlichkeitswirksamen Streik wäre die juristische Verfolgung der Streikenden fast unmöglich. Wohl gab es vereinzelte wilde Warnstreiks, die meisten Zivis waren jedoch zu träge und ängstlich - und kaum wer hat versucht, ihnen diese Angst zu nehmen. Damit wurde auch die Chance vertan die Friedhofsruhe im österreichischen Arbeitskampf zumindest kurz zu stören. Zumal damals die ersten (wenn auch wenig ernstzunehmenden) Streikdrohungen des ÖGB im Raum standen.

Alles vertan?

Auf der internet-homepage www.zivildienst.at kündigt die Zivildienerplattform ihre Aktivitäten an. Hier können Zivildiener auch ihre Meinung plazieren.
In Hinblick darauf, daß noch weitere Verschärfungen geplant sind, wird es notwendig sein, den Protest neu zu beleben. Es wird aber nicht genügen, wenn sich ein paar Ober-g'scheite untereinander ausmachen, wie der Protest auszusehen hat. Protest und Widerstandsformen müssen von der Basis kommen, können verschiedenartig sein und müssen sich deswegen nicht ausschließen.
Die Diskussion über Abschaffung aller Zwangsdienste, Antimilitarismus und Abschaffung des Militärs, die Schwarz-Blaue Regierung und Sozialabbau, Arbeitskampf und Verweigerung muß an die Basis der Zivis und darüber hinaus getragen werden.
Wer wenig fordert, kriegt gar nichts; wer alles fordert. bringt zumindest so manche/n zum Nachdenken.

{Flash G.}