Der Versuch, die Bildung unters Diktat der Wirtschaft zu bringen

Bereits einige Zeit vor der Angelobung der FPÖ/ÖVP-Regierung geisterten immer wieder Gerüchte und Forderungen von PolitikerInnen und Wirtschaftshaien in den bürgerlichen Medien, mit der Forderung nach einer erhöhten Ausrichtung der Bildung (primär der Universitäten) an marktwirtschaftlichen, sprich kapitalistischen und neoliberalen Verwertungskriterien. Die Bildung sollte sich endlich (wieder) bezahlbar machen, sprich sich selber tragen und zudem noch einiges an Gewinn einbringen.

Argumente waren und sind immer wieder, daß die universitäre Bildung und Wissenschaften den heißgeliebten, braven SteuerzahlerInnen scheinbar Millionen kosten würden, ohne daß sie sich aber für ihn oder sie im Endeffekt auszahlen würde. Gespart werden muß überall, so bereits der Slogan der SPÖ/ÖVP-Koalition, den die jetzige rechts-konservative Regierung dann auch gleich verschärft anwendet, somit natürlich auch bei Bildung und wissenschaftlicher Forschung. Alles was wirtschaftlich nicht rentabel und verwertbar ist fällt durchs Raster der wirtschaftlichen Rentabilität und Profitmaximierung und wird eliminiert. Die kapitalistischen und neoliberalen Kriterien stehen über dem Ehrenkodex der Wissensvermittlung und -ermittlung.
Immer wieder haben Verhandlungen und Gespräche zwischen Regierung, Universitäten und Wirtschaft stattgefunden, im scheinbaren Bestreben die Qualität der Unis wesentlich zu erhöhen. So wird es zumindest in den bürgerlichen Medien verkauft und dargestellt. In Wirklichkeit geht es aber darum aus der universitären Lehre und Forschung Kapital zu schlagen. Einige Disziplinen der "Wissenschaft" haben sich dann auch mehr oder weniger mit Wirtschaft und Regierung auf einen Konsens einigen können, und ihre Mitarbeit, oder besser gesagt ihre Unterwürfigkeit unter die Wirtschaft gleich angeboten. Dies gilt vor allem für jene Disziplinen, in denen Karriere und Geldhascherei an erster Stelle stehen, die selber auf marktwirtschaftlichen und neoliberalen Kriterien basieren, wie z. B. Managment-Lehre, Finanz- und Wirtschaftslehren usw.

Der Markt der sogenannten New Economy boomt geradezu, und selber die Studierenden der eben genannten Fachrichtungen sind scharf darauf so schnell wie möglich Karriere zu machen und das große Geld zu verdienen. Solche Leute braucht die Wirtschaft, eben Leute, die sich kritiklos und ergeben unterordnen, wenn es nur ihrem eigenen Erfolg dienlich ist. Hier hat sich die neoliberale Marktlogik bereits fest etabliert, und auf diesen Bereich und diese Stimmen kann die schwarz-blaue Regierung sicherlich zählen, wenn es um Themen wie Studiengebühren, Ausrichtung des Unilehrgangs an der Wirtschaft usw. geht.

Andere Fachbereiche und Disziplinen der Universität müssen hingegen hart kämpfen, um nicht vom Koloß des Neoliberalismus überrollt zu werden. Studiengänge wie z. B. Slawistik bringen für die Wirtschaft recht wenig, und haben de facto auch keine Daseinsberechtigung mehr.

Sie gelten als Luxus und Relikte aus alter Zeit, und müssen Platz machen, für Bereiche und Disziplinen, mit denen sich viel Kohle scheffeln läßt.
Der Großindustrielle und dritte Nationalratsvorsitzende Prinzhorn (FPÖ) stellt nur ein markantes Beispiel da, wie versucht wird, die Wissenschaften unters Diktat der Wirtschaft zu bringen. Noch vor einigen Monaten hat er öffentlich verlangt, daß in allen Schulen eigens ein Unterrichtsfach "Wirtschaft" eingeführt werden sollte. Zudem hatte er die Idee Geographie und Geschichte zusammenzulegen, und die alten "Relikte" wie Latein, bildnerische Erziehung, Musik und Philosophie wenn nicht gleich abzuschaffen, so die Unterrichtseinheiten doch entschieden herabzusetzen. Somit verliert die Bildung ihren bisherigen Stellenwert in der Gesellschaft und auch ihre "traditionellen" Ziele und Werte. Es geht nicht mehr darum junge Menschen auf das spätere Leben vorzubereiten (was ja eigentlich nur in den allerseltensten Fällen auch zutraf) und ihnen entweder einen Beruf oder zumindest eine Allgemeinbildung zu liefern.

Nein, wenn es nach Wirtschaft und Regierung geht, dann zählt einzig und alleine Unterwürfigkeit unter die Autoritäten Staat und Kapital.
Ok, eh klar, daß das ja eigentlich bis jetzt doch irgendwie immer schon die Aufgabe von Schule und Universität gewesen ist. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, daß es auch in diesem Bereich fortschrittliche Veränderungen über die letzten Jahrzehnte und -hunderte hinweg gegeben hat. Die Bildung wurde (zumindest in unseren Regionen) allgemein zugänglich und, hat doch bei der Herauskristallisierung des einen oder anderen kritischen und humanistischen Verstandes ein klein wenig mitgeholfen.

Ich bin immer noch der Ansicht, daß die Feder stärker sein kann als das Schwert. Die Feder hat in unseren Regionen längst einen neuen Feind, nämlich das Kapital. Die Reichen und Herrschenden wollen keine gut ausgebildeten Menschen, zumindest nicht damit die Menschen frei und unabhängiger sind. Nein, sie wollen UntertanInnen, die sich für den eigenen Erfolg selber verkaufen, also frei von Idealen und humanistischen Werten sind. Eben genau dem "Ballast", jenen die Wirtschaft nicht brauchen kann, weil er ihr Wachstum hindert und einbremst.
Aus der Bildung soll, zumindest vom Prinzip her, eine Art Supermarkt werden, d. h. ich zahle an der Kasse (Studiengebühren) und erhalte somit auch meine Ware (Diplom). Das Angebot (Studiengänge und Lehren) selber ist aber eingeschränkt und wird nicht von den einzelnen EinkäuferInnen (SchülerInnen und StudentInnen) bestimmt, sondern einzig und alleine von der Nachfrage, und im Endeffekt können die BesitzerInnen des Supermarktes (Regierung und Universitäten) immer noch selber bestimmen, was sie in ihrem Angebot haben wollen.
Eine solche Orientierung an der Wirtschaft wird selbstverständlich unweigerlich schwerwiegende Konsequenzen für den sozialen und kulturellen, aber auch den wirtschaftlichen Bereich haben. Hierin spiegelt sich der Trend zu der sogenannte Zwei-Drittel-Gesellschaft klar und deutlich wieder, eben einer Gesellschaft wo ein Drittel der Menschen über einen gut bezahlten Job verfügen werden, während die anderen zwei Drittel zwischen Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlten Teilzeitjobs hin- und herpendeln müssen. Weil es eben nur mehr wenige gut bezahlte Jobs gibt, besteht auch kein Interesse und kein Bedürfnis an gut ausgebildeten Menschen, weil diese dann ohnehin eine Gefahr für das herrschende System darstellen, weil sie ja irgendwie in ihrem Frust auf die Idee kommen könnten, das ganze Spiel zu hinterfragen. In einer solchen Lage werden die Wissenschaften dann noch weniger wie bereits heute zum Allgemeinwohl der Menschen dienen, sondern primär zur Steigerung der Marktwirtschaft.

Die Bevölkerung wird über diese Situation und die Absichten der Reichen und Herrschenden hinweggetäuscht, sei es durch Werbeslogans wie "Wirtschaft ist sexy" oder "Wirtschaft sind wir alle". Es wird wieder einmal das große Wir-Gefühl propagiert, das uns glauben läßt wir säßen alle im gleichen Boot, was aber keinesfalls zutreffend ist. Zeitlich eher kurz betrachtet mögen wir ja alle mehr oder weniger Vorteile aus einem Wirtschaftswachstum tragen, aber wenn wir uns die Sache über Jahre hinweg anschauen, so werden am Ende doch wieder wir die Dummen sein und die Reichen werden sich ins Fäustchen lachen.

Die zweite Strategie die Wirtschaft vermehrt in der Bildung und akademischen Forschung Fuß fassen zu lassen besteht darin zu behaupten, daß der Großteil der Studierenden den SteuerzahlerInnen nur faul und schmarotzend auf der Geldtasche liegt. Die Bildung würde zu viel Geld kosten, und die Studierenden und SchülerInnen müßten für ihre Ausbildung selber ein "klein wenig" beitragen. Durch die Dämonisierung der Studierenden wird die Bevölkerung in zwei Lager gespalten, was dazu führt, daß sich die Leute nur mit ihren von oben (Regierung und Wirtschaft) vorgegebenen Feindbildern befassen, und nicht so sehr mit den wirklichen Gründen der Regierung die Studiengebühren einzuführen, nämlich die Bildung wieder elitär und kapital-orientiert zu gestalten.
Diesem Versuch die Bildung wirtschaftlich orientierten Zielen und Kriterien unterzuordnen, können wir nur Einhalt gebieten, wenn wir uns für eine frei zugängliche Ausbildung für alle einsetzen. Dazu ist primär die Solidarität mit den SchülerInnen, Studierenden und sozial Schwächeren dringend geboten. Wirtschaft und Politik sind nicht alles, es gibt weitaus mehr, was mensch erforschen und erkunden kann. Deshalb können Wirtschaft, Regierung und große Teile der Bevölkerung auch nicht verstehen, daß es Menschen gibt, die Freude daran haben Wissen anzusammeln und zu verarbeiten, und zwar nicht in erster Hinsicht um damit später viel Geld zu machen und eine tolle Karriere zu erreichen, sondern um ihrer eigenen Persönlichkeit willen oder einfach um auch anderen Mitmenschen und Nachkommen einen Nutzen zu hinterlassen.

{Einer vom Infoladen Grauzone}