03.08.2000

§248 / Abs 9

Widerstandswoche 27

+ das aktionskomitee gegen schwarzblau präsentierte die drei "weisinnen", marlene streeruwitz, helga köcher, anneliese gesswein. gelegenheit zu einer unterredung mit den weisen bekamen auch sie nicht.
+ in einem wohnheim des evangelischen flüchtlingsdienstes fand eine hausdurchsuchung statt. bei der fahndung nach einem verdächtigen (unter anderem in küchenladen und unter matrazen) entstand beträchtlicher sachschaden.
+ polizeipräsident stiedl zieht eine positive bilanz der halbjährigen probezeit der umstrittenen sek (sondereinsatz kriminaldienst), die unter anderem in die ermordung des vermeintlichen drogendealers imre b. verwickelt war und der mehrere rassistische übergriffe zur last gelegt werden. zu ihrem vermummten einsatz beim antifaschistischen karneval bemerkt stiedl: "Obwohl sie keine Milieu-Kenntnisse hatten, haben sie den harten Kern herausgefunden." im september wird es eine neues sek-konzept mit neuem nahmen geben.
+ die österreichischen volksgruppenradios gehen vor den europarat weil ihnen die regierung im nächsten jahr keinerlei subventionen mehr zukommen lassen will. das widerspreche der "rahmenkonvention zum schutz nationaler minderheiten".
+ minister schmid weiß was frauen zumutbar ist. insbesondere junge mütter dürfen keinesfalls überanstrengt werden, und schon gar nicht mitglieder der steirischen landesregierung sein. der tote bankräuber-ehemann steht damit selbstverständlich in keinem zusammenhang.
+ das bundesheer ist neugierig: per fragebogen wird nach schulden, aktuellen und früheren ehegattinnen oder lebensgefährtinnen samt anschrift und beruf, verwandten und kontaktpersonen im ausland und vereinszugehörigkeiten gefragt.
+ sozialministerin sickl spendet ihre witwenpension für kulturelle zwecke. aus ihren überlegungen zur pensionsreform waren fälle wie ihr eigener wohlweislich ausgespart.
+ prinzhorn will von 183 abgeordneten 83 einsparen. diesen schritt sah schon das konzept der "3. republik" vor.
+ die fpö denkt auch wieder laut über die zusammenlegung von kanzler und präsident nach. ein delm wer da an historische vorbilder denkt.
+ um entschieden gegen die bösen mächte der drogenmafia vorgehen zu können, sollen die drogen-grenzmengen gesenkt werden. ab 3 g heroin soll es strafe statt therapie setzen. das entspricht der tagesdosis eines schweren junkies. die mafia zittert.
+ erst nachdem die medien den fall aufgriffen zeigte sich das österreichische innenministerium wieder bereit mit dem suchdienst des internationalen roten kreuz, der bestätigungen für ns-zwangsarbeiter ausstellt, zu kooperieren. zuvor war per weisung eine informationssperre verhängt worden.
+ Günter Waneck (Staatssekretär), Ewald Stadler und Ernest Windholz (beide NÖ) und Bundesrat John Gudenus feierten in der irakischen botschaft. diesmal wars der irakische nationalfeiertag, zuletzt hatte man zu saddam husseins geburtstag gratuliert.
+ övp-bildungssprecher werner amon tritt für aufnahmeprüfungen für ahs, bhs und universitäten ein. außerdem sollen studienplätze limitiert werden. gehrer favorisiert studiengebühren (zunächst) für seniorInnen und zweitstudien.
+ täglich neues zum sozialsystem. vielleicht ist die regierung doch für die familien- und gegen die individualbesteuerung. vielleicht sollen alle transferleistungen ans familieneinkommen gekoppelt werden. jedenfalls ist man einig gegen "überversorgung" (westenthaler) und "trittbrettfahrer" (schüssel).
+ einen erfolg hat das land kärnten im kampf gegen kritische kultur zu verbuchen. die studiobühne musste konkurs anmelden, nachdem ihr für 2000 alle subventionen gestrichen worden waren. vorgesehen waren unter anderem aufführungen von elfriede jelineks lebe wohl und peter turrinis alpenglühen.
+ ariel muzicant bezeichnete das papier sonderbotschafters für ns-restitution sucharipa als "ohrfeige für die opfer".
+ europapolitisch schwenkte jörg haider mal wieder um. jetzt spricht er sich für ein "europa der großregionen" aus. noch anfang 1999 hatte er derartiges mit bedacht auf die "drohende slowenisierung" entschieden abgelehnt.
+ die zahl der anzeigen wegen rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer vorfälle ist im ersten halbjahr 2000 um 48 prozent gestiegen. laut innenministeriums gab es von jänner bis juni 232 anzeigen - im vergleichszeitraum 1999 waren es 157.
+ die fpö will bei der steirischen landtagswahl mit dem "schutzbedürfnis der bürger" punkten. übelste rassistische hetze ist zu erwarten.
+ gross bekam von einem wiener gericht 30.000 öS zugesprochen, weil er sich durch einen orf-bericht gekränkt gefühlt hatte.

Unendliche Weiten - unheimliche(s) Wesen

3 "Weise" besuchten Österreich um sich ein Bild von schwarz-blauer Regierungspolitik und vom Wesen des "freiheitlichen" Koalitionspartners zu machen. Nach 3 Tagen waren sie auch schon wieder weg; gesprochen haben die drei alten Männer vor allem mit Vertreter(Innen?) des offiziellen Österreichs. Was für ein Bild sich die drei von der Natur der erfolgreichsten rechtsextremen Partei Europas gemacht haben, wissen wir nicht, hätten sie uns gefragt, hätten wir ihnen - in beliebiger Reihenfolge - folgendes erzählt.

(International) bekannt wurde die FPÖ nicht zuletzt durch sogenannte "Ausrutscher" einzelner FunktionärInnen. "Ausrutscher" meint in diesem Zusammenhang meist letztklassige Äußerungen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs. Das Drehbuch für derartige Aufreger ist genau vorgegeben. Ein FPler "verspricht" sich. Es folgt eine kurze allgemeine Entrüstung, begleitet von einigen - mehr oder minder ernst gemeinten - Entschuldigungen und geradezu lächerlichen Ausreden, a la "er hat es doch nicht so gemeint" und "es ist ihm ganz spontan eingefallen". Dabei wird übersehen, dass das Problem bei diesen Aussagen nicht die Tatsache ist, dass sie gesagt werden und an die Öffentlichkeit gelangen, sondern dass sie zum alltäglichen Gedankengut der FPÖ-FunktionärInnen gehören. Wirklich bedenklich ist aber, dass die FPÖ nicht trotz solcher "Ausrutscher", sondern (unter anderem) deswegen gewählt wird. Es ist zwar unsinnig, die FPÖ mit der NSDAP und Haider mit Hitler gleichzusetzen, aber sie spricht damit die Stimmung in einem Land an, dessen BewohnerInnen ihre Vergangenheit bis heute kaum aufgearbeitet haben. Der FPÖ ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, den anti-nationalsozialistischen Grundkonsens aufzubrechen und NS-Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Sie hatten auch nie Probleme damit, mit offen rechtsextremen Gruppierungen und Personen zusammen zu arbeiten. (Wobei natürlich klar ist, dass SPÖ und ÖVP an einer wirklichen Aufarbeitung der Vergangenheit auch nie interessiert waren.)

Vom VdU zur FPÖ

Die "ganz normale Partei" FPÖ hat ihre Wurzeln im sogenannten "3. Lager" der Zwischenkriegszeit, also in so sympathischen Organisationen wie der Großdeutschen Volkspartei. Nach dem 2. Weltkrieg gründete sich - unter tatkräftiger Mithilfe der SPÖ - der Verband der Unabhängigen als Sammelbecken für ehemalige NSDAPler. Simon Wiesenthal beschrieb den VdU als "eine nahezu lupenreine Nazi-Partei - von Ex-Nazis zu sprechen, bedeutete Geschichtsfälschung". 1956 erfolgte - in den Worten des ehemaligen Vdu-Obmannes Kraus - die "Machtübernahme durch einen kleinen Kreis von Rechtsextremisten und ehemaligen Naziführern", sprich: die Gründung der Freiheitlichen Partei Österreichs. Zeitweise versuchte man sich liberal zu geben, 1980 wurde Norbert Steger (der Vertreter des liberaleren Flügels) sogar zum Parteiobmann gewählt. Die nazionalen Kreise innerhalb der Partei werkten allerdings ungehindert weiter. 1986 kulminierten die Flügelkämpfe in der Machtübernahme Jörg Haiders am Innsbrucker Parteitag. Nach dramatischen Auftritten und einem Bluff gewinnt Haider eine Kampfabstimmung gegen den amtierenden Vizekanzler Steger, Vranitzky kündigt daraufhin die Koalition. Steger wird von Haider-Anhängern angespuckt und gröbstens beschimpft, einer freut sich, endlich den "Saujuden" los zu sein, andere kramen die Hitler-Medaillen hervor. Die liberale Bemäntelung der FPÖ wird damit fallen gelassen, bei der Gründung des LIF verlassen die letzten Liberalen die Partei.

Gesinnungsgenossen & Kameraden - Best of Böse

PolitikerInnen der FPÖ pflegen zu so gut wie allen rechtsextremen, ultra-konservativen und (neo)nazistischen Gruppierungen in Europa Kontakte. Die engen Verbindungen zwischen FPÖ, deutschnationalen Burschenschaften und Österreichischem Turnerbund (ÖTB) sind bekannt und zu zahlreich, um sie hier anzuführen. Apropos Turnerbund: Dort gewann Jörg Haider schon 1966 einen Redewettbewerb mit dem hübschen Thema "Sind wir Österreicher Deutsche?", veröffentlicht wurde die Rede in der neonazistischen Deutschen National-Zeitung. Wann immer es in Österreich um Rechtsextremismus geht, ist die FPÖ nicht weit, auch wenn dies in Zeiten der Regierungsbeteiligung wohlweislich nicht thematisiert wird. Gute Kontakte pflegt man auch ins Ausland vom belgischen Vlaams Blok bis zur Lega Nord, von der deutschen Wochenzeitung Junge Freiheit bis zur NPD.
Der politischen Karriere sind rechte Kontakte ebenso wenig abträglich wie entsprechendes Gedankengut. Bundesrat John Gudenus z.B. kann es sich ohne weiteres erlauben im Profil-Interview zu sagen: "Das ganze Unheil dieses Jahrhunderts ist eindeutig auf den Rachefrieden, den die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg mit den deutschen Ländern und Ungarn geschlossen haben zurückzuführen". Und auf die Frage nach seiner Meinung zu Ed Fagan: "Er ist ein guter Geschäftsmann, das ist klar. Aber ich glaube, er trägt nicht dazu bei, Sympathien für seinesgleichen zu erwecken. Aber man darf auch nicht verallgemeinern. Es gibt in Deutschland auch den Anwalt Witti, von dem ich annehme, dass er nicht jüdischer Abstammung ist - und der agiert ähnlich als Geschäftsmann."
Dass die Koalitionsparteien in diesen Fragen durchaus harmonieren beweist der ÖVP-Bürgermeister und Schotterkaiser Johannes Asamer, der sich über die Entschädigungen für NS-Zwangsarbeiter entrüstet: "Die Juden treiben's noch so weit, bis sie wieder eine auf den Deckel kriegen".

Kritik unerwünscht

Nicht nur in den eigenen Reihen greift die FP-Spitze hart durch, auch gegen externe KritikerInnen wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorgegangen. Waren es vor einigen Jahren noch in erster Linie Schmutzkübel-Kampagnen gegen andersdenkende KünstlerInnen, Intellektuelle und Journalisten, so bemüht die Partei heute mit Vorliebe die Gerichte - und bekommt dort immer öfter recht. Der Politologe Anton Pelinka, der Journalist Hans Rauscher, die Sozialistische Jugend - sie hatten der FPÖ ein gewisses Naheverhältnis zu Rechtsextremismus und/oder Faschismus "unterstellt" und wurden prompt geklagt. Interessant für die FPÖ ist nicht nur, dass ihnen die Gerichte mit einer Verurteilung der KritikerInnen gleich eine Art Persilschein ausstellen, sondern vor allem die einschüchternde Wirkung. Wenn die Wahrheit zu sagen durch die drohenden Prozesskosten zur ecistenziellen Bedrohung wird, überlegen kritische BürgerInnen und politische KonkurrentInnen lieber zweimal, bevor sie die Regierungspartei angreifen.
"Wenn ich etwas zu reden habe, wird in den Redaktionsstuben in Zukunft weniger gelogen und mehr Wahrheit sein als jetzt." (Jörg Haider 1994). Zensur ist ein böses Wort, doch wie sonst soll mensch es nennen, wenn die FPÖ Kärnten zum Boykott der Kleinen Zeitung aufruft oder Westenthaler beim Regierungheurigen am 12. Juni erklärt: "Pressefreiheit ist, dass wir uns aussuchen können, mit wem wir reden". Dazu kommen ständige Interventionen beim ORF, der sich auch nicht zu blöd ist, in einer Zur Sache-Sendung laufend e-mails des "freiheitlichen" Klubobmanns zu verlesen.

Beurteilt sie nach ihren Taten?

Die Maßnahmen und Gesetze, die die Regierung beschließt, sind klassisch rechtskonservativ und nicht mit dem Nationalsozialismus oder dem Faschismus gleichzusetzen. Aber heißt das, dass die FPÖ eine ganz normale Partei ist? Ist es normal, wenn Minister bekannte Rechtsextreme als Mitarbeiter beschäftigen? Ist es normal, wenn KritikerInnen mundtot gemacht werden? Seit der Regierungsbildung hat sich das politische Klima in Österreich verändert. Fast täglich lassen Regierungsmitglieder mit neuen Angriffen auf die Opposition, die kritische Zivilgesellschaft und den Sozialstaat aufhorchen. Ganz zu schweigen von der Zerschlagung der Sozialpartnerschaft, die beinahe ohne öffentliche Debatte über die Bühne gegangen ist.
Das Wesen der FPÖ lässt sich nicht einfach beschreiben, aber doch genau genug, um die schlimmsten Befürchtungen zu rechtfertigen.


für diese Ausgabe verantwortlich:
Grün-Alternative Jugend Wien