13.07.2000

§248 / Abs 6

widerstandswoche 24

"Die Juden treiben's noch soweit, bis sie wieder eine am Deckel kriegen", weigert sich Schotterbaron (und ÖVP-Bürgermeister von Ohlsdorf) Asamer, in den Entschädigungsfond für ehemalige ZwangsarbeiterInnen einzuzahlen. Von Russland verlange schließlich auch niemand was. Auch Mölzer findet, Österreich sei "moralisch sicher zu nichts verpflichtet", die FPÖ überlegt gar eine Volksbefragung. Einig sind sie sich: Die sechs Milliarden müssen gezahlt werden wegen des imperialistischen Drucks der USA. Und nur deswegen.

blau-schwarz "fragt" das "Volk". Mit zunächst fünf suggestiven no-na-Fragen und einer Frage nach den. "ungerechtfertigten Sanktionen" wollte blau-schwarz das "Volk" um Unterstützung bei der "Anwendung aller Mittel" gegen die böse EU bitten. Nun wurde grammatikalisch umformuliert und die 6 Fragen in eine durchgehende Suggestiv-Wurscht gepreßt. Antworten kann mensch mit Ja oder Nein wer also für die sog. "Sanktionen" ist, deklariert sich nach wie vor zugleich gegen Menschenrechte, demokratische Wahlen, Gleichberechtigung der EU-Mitgliedsländer und Rechtsstaatlichkeit. Die Idee stammt direkt von Haider - die Verfassungsmäßigkeit wird stark angezweifelt. Leider gibt es ja keine echten Sanktionen gegen die Regierung sonst würden wir für deren Weiterführung stimmen...


Lizenz zum Schnüffeln. Nicht, dass sie es bisher nicht getan hätten. Aber jetzt dürfen sie es offiziell: Wer sich verdächtigt macht, das Bundesheer nicht innig zu lieben, wird legal bespitzelt, beschloss die Regierung. Natürlich trifft das keine "normalen Bürger", versichert ein FPÖler im ORF: Er nannte nur zum Beispiel DemonstrantInnen, bundesheerkritische ArtikelschreiberInnen, TeilnehmerInnen von Grenzcamps,... na dann.

Private Gewaltphantasien scheinen die SEKler zu ihren - nach eigenen Angaben unbezahlten, freiwilligen und rund um die Uhr möglichen - Einsätzen (in zivil) zu motivieren. Der Mörder von Imre B. verwendete folgerichtig seine Privatwaffe, um den Unbewaffneten (!) unbegründet (!!) von hinten (!!!) zu erschießen und dann, höchstselbst die Einvernahme leitend, den Hauptzeugen und seine Schwester einzuschüchern und zu foltern. Bleibt die Frage: Waren die SEKler überhaupt im Einsatz oder gehen sie in Zivil und mit Privatwaffe einfach durch die Stadt, schlagen und schießen wahllos herum, und behaupten dann, es war ein Sondereinsatz?

Schüssel will Frauenwahlrecht abschaffen! (Noch) nicht das demokratische, wohl aber das Recht zu wählen, ob wir ein Kind wollen oder nicht: Die ÖVP sei gegen jede Art von Schwangerschaftsabbruch und wolle die Fristenlösung neu diskutieren, erklärt er in einem Brief. Da waren sogar Kohl und Westenthaler dagegen....

Grenzenlose Rechte. Wieder einmal durch die Hintertür erschien Haider zu einer Ehrung in Jesolo. Draußen lieferten sich (sturzhelmbewehrte!) Anti-Haider-DemonstrantInnen Straßenschlachten mit der Polizei, drinnen überreichte der Bürgermeister (Ex-Lega-Nord) Haider den Stadtschlüssel. Bei Haiders nächstem Italienauftritt in Udine wurde gleich das ganze Zentrum abgeriegelt. Die Freundschaft ist gegenseitig: Abgesandte der Allianza Nazionale und der Lega Nord besuchten am Wochenende das Haiderreich.

FPÖ-Interventionitis beim ORF: Nach dem Angriff auf Journal Panorama ist jetzt Kabas überzeugt, der Staatsfunk stecke mit dem Tortenattentäter "unter einer Decke". Der ORF hatte gegen einen Ge-richtsbeschluss zur Herausgabe des Rohmaterials unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis Beschwerde eingelegt. Das Landesgericht Wien ist nicht so renitent: Die Beschwerde wurde abgelehnt.


Von rassistischen Polizeiübergriffen, kollaborierenden Richtern, zynischen Medizinern, "sachkundigen Zeugen" und Bullenkötern:

Smash Austria!

Am Montag, dem 10. Juli 2000 fand die erste UVS ("Unabhängiger" Verwaltungssenat)-Verhandlung im "Fall" Traiskirchen statt. 34 Menschen sind BeschwerdeführerIn-nen gegen die Polizei. Sie wurden am 17. Jänner 1999 im Flüchtlingslager Traiskirchen von einer Horde PolizistInnen und zwei Kötern überraschend überfallen, beschimpft, durchsucht (u.a. Anal- und Vaginal-"visitationen"), geschlagen, gede-mütigt und gefoltert, auch ein zwei Monate altes Baby wurde nicht verschont. "Suchtgiftrazzia im Zuge der Operation Herbstblatt" heißt das dann im Polizeijargon, oder "Amts-handlung der Gendarmerie am 19.1.1999". Von 19:30 bis 24:00 tobten sich die PolizistInnen aus. Gefunden haben sie nichts. Sie bestreiten nun alle Vorwürfe.

Der erste Verhandlungstag begann um 9 am und endete unterbrochen nur von kurzen Pausen nach 19:00. Fünf Frauen wurden zu diesem ersten Termin geladen und mußten sich 10 Stunden lang die Zynismen des Vorsitzenden Richters, Paul Marzi, der von ihm konsultierten "sachverständigen" Zeugen und der PolizistInnen, die sich plötzlich an gar nichts mehr erinnern, nicht einmal an die eigenen KolegInnen, anhören. Die Frauen sollten nur kurz und präzise antworten (Marzi: "De soll ma kan Roman erzöhln: Jo oder Na und aus".) und auch die anfangs zugezogene Portugiesisch-Dolmetscherin wurde von Marzi kräftig unter Druck gesetzt, den sie wiederum an die befragten Frauen weitergab. Zum Glück sprang dann ein Anwesender ein und übersetzte auf Kingala. Er ließ sich vom Richter nicht unterbrechen und gab den zwei an diesem Tag vernommenen Frauen genügend Zeit, die Geschehnisse zu schildern.

Unser Protokoll ist 20 Seiten lang und ist ein Dokument der Grausamkeiten, nicht nur des 17. Jänners 1999 sondern auch des Wahnsinns der Verhandlung. Der Vorsitzende Richter Marzi hatte gegenüber der APA bereits geäußert, daß sich die "Überprüfung" in Traiskirchen nicht "auf Luft aufbaue," sondern es "gewichtige Gründe im Zusammenhang mit Vergehen nach dem Suchtmittel-gesetz" gäbe. Frau sollte wissen, er kommt selbst aus der Sicherheits-direktion und sprach nach der Verhandlung zwei der anwesenden Bullen mit ihren Spitznamen an.

Ständig wurde betont, auch in den verschiedenen Pressemeldungen, die am Dienstag erschienen, daß "im Zuge der Ausforschung eines Dro-genringes in NÖ sich nun 15 Personen am Landesgericht NÖ verantworten müssen". Außer dem Rechtsanwalt der 34 Beschwerdefüh-rerInnen, Dr. Rainer, versuchten jedoch alle zu vertuschen, daß bei den Betroffenen NICHTS gefunden wurde.

Trozdem durfte der "sachkundiger Zeuge" (Abt. 2.8, Innenministerium) Gerhard Jouszt ein über eine Stunde dauerndens Referat über internationalen und nationalen Drogenhandel halten, indem er u.a. versuchte zu rechtfertigen, was die PolizistInnen abstritten, Eigentor sozusagen: So erzählte er, daß im Zuge der "Operation Streetrunner", die gerade läuft, drei Vertrauenseinkäufe von verdeckten ErmittlerInnen durchgeführt und dabei festgestellt wurde, daß Drogen mit Wachs isoliert im Mund, im Anal- und im Vaginal-bereich versteckt würden. Auf die Frage, ob es also auch Erfahrungen mit Dealerinnen gäbe, antwortete er: "Nein, Erfahrungen mit Frauen haben wir nicht, aber der Genital-bereich eignet sich sehr gut als Versteck." Er fährt fort: "Normaler-weise führen wir bei Verdacht Röntgen oder Ultraschallunter-suchungen vor. Das muß von einem Amtsartzt oder von Vertrauensärtzten der Gendarmerie durchgeführt werden." So wie bei R. Ibekwe??? Motiviert durch die Fragen des Vorsitzenden fährt er fort: "Es gibt rund um Traiskirchen sozial Schwächere und Flüchtlinge, die benutzt werden, mit Suchtgift zu handeln. (...) Es gibt auch internationale Erfahrungswerte und es sind eben v.a. westafrikanische Leute, die im Straßenverkauf eingesetzt werden." Dr. Rainer stellt keine Fragen an Jouszt: "Was hat dieser Vortrag überhaupt mit unserem Fall zu tun?"

Zuerst wird A.A. vernommen. Sie versucht, das ihr wiederfahrene zu erzählen, wird dabei öfters von Marzi mit dem Hinweis auf die Wahrheits-pflicht unterbrochen, außerdem "mach ich Sie darauf aufmerksam, daß erhebliche Unterschiede zwischen Ihren Vorwürfen und den Schilderungen der Beamten bestehen." Sein insistenter Versuch, A.A. in Widersprüche, die vom Rechts-anwalt verfaßte Anklageschrift betreffend, schlägt kärglich fehl. Sie erzählt, wie am 17.1.1999 um ca. 19:30 plötzlich, ohne vorherige Benachrichtigung, mehrere Polizis-ten mit Waffen im Anschlag das Zimmer stürmten, in dem sie sich mit 4 Frauen und 3 Männern beim Essen befand. Es waren lange Waffen, wie im Krieg, erzählt sie. Die Polizisten hatten auch Messer oder Säbel. Marzi meint abfällig, ob sie denn Bajonetten meine, und erinnert sie wiederum an die Wahrheitspflicht: "Polizisten und Gendarme führen nur Kleinfeuerwaffen, keine Messer und schon gar keine Bajonetten". Daß es mehrere Zeugen dafür gibt, daß dieBeamtInnen mit Sturmgewehren aufrückten, interessiert ihn nicht. Was nicht sein darf, kann nicht sein. Die Skizze, die A.A. vom "Messer" anfertigt, ähnelt einem Gummiknüp-pel (sh. Foto auf der Vorderseite).

Der Grund für die Amtshandlung wurde ihnen nie erklärt. A.A. erzählt, wie sie in eine Plastikflasche urinieren mußte, in die selbe, die alle benutzen mußten, der Gang zum WC wurde ihr verweigert. Nur eine Frau durfte später in Begleitung einer Polizistin aufs WC. Sie erzählt wie sie von männlichen Polizisten untersucht und begrabscht wurde, wie sie gezwungen wurde, sich abfotografieren zu lassen, sie erzählt von der Demütigung und Erniedrigung, die sie verspürte, als sie vor allen in die Flasche urinieren mußte. Der Vorsitzende daraufhin: "Na Sie hätten sich ja umdrehen können." Und "Ham's die Hose jetzt ganz runter lassen oder nur bis zu den Knien?"

M.L. erzählt, sie habe bereits geschlafen, als ihr Zimmer von 6 männlichen Bullen und einem Köter gestürmt wurde. Auch sie beschreibt die Sturmgewehre. Das Fenster wurde aufgerissen, das Baby entkleidet, die Windeln zerissen, das Zimmer auf den Kopf gestellt. Der Köter schleckte das Baby unter den Lachkrämpfen der Bullen ab.

Obwohl man ihr verboten hatte, daß Kind wieder anzuziehen, tut sie das nach einiger Zeit. Den Zusammen-hang mit der Bronchitis und dem Fieber, unter der das Kind daraufhin erkrankte, stritt der nächste "sachkundige Zeuge", ein Gynäkologe, vehement ab. Auch die Frage des Rechtsanwalts, ob es für ein Baby Qual, Leid oder Unbehagen bedeute, 4 Stundne lang ungestillt, brüllend, bei Kälte, von einem Hund beschleckt, ohne die Umarmung der Mutter, neben einem offenem Fenster im Jänner zu liegen, antwortet der "Experte" lächelnd mit: "NEIN (!!!) es wurde später ja wieder angezogen frische Luft tut keinem Säugling weh." M.L. durfte auch nicht aufs WC, sie mußte in eine Schüssel vor den Augen der 6 Männer, die sich auf 1 Meter Distanz aufpflanzten, urnieren. Auch bei M.L. erntete der Richter mit seinen Einschüchterungs und seinen weiteren Versuchen, sie in Widersprüche zu verwickeln, keinen Erfolg.

Die weibliche Beamtin, Monika Waldberg, bestritt, daß eine weitere Polizistin bei der Aktion in Traiskir-chen anwesend war (obwohl es ZeugInnen gibt). Bei ihrem Versuch, die totale Harmonie des Einsatzes zu beschreiben (alles ging ruhig vor sich, keinen Widerstand, die Frauen ließen sich freiwillig durchsuchen, sie führte bei Frau C. KEINE Vaginaluntersuchung durch, alle durften Wasser trinken gehen, alle durften aufs WC, alleine in die Kabine, sie habe zwar den Speichel einer Frau die ins Klo spuckte, kontrolliert, das Urin aber nicht, Warum nicht?: "Das mach ich aus Prinzip nicht." (?!).

Durch die Befragung des Rechts-anwalts und die unzähligen Wider-sprüche, in die sie sich verstrickte, konnte sie sich am Ende an gar nichts mehr erinnern. Obwohl sie bestritt, daß eine weitere Frau bei der Aktion und auch bei deren Vorbesprechung ("Aktionseinsatzgespräch") am selben Tag zu Mittag anwesend war, konnte sie nicht einmal schätzen, wieviele Beamte die "Amtshand-lung" durchführten.

Der Richter versuchte ständig, ihr aus der Patsche zu helfen, erinnerte sie kein einziges Mal an die Wahrheits-pflicht. Frau C. beschreibt, wie die Beamtin die Vaginaluntersuchung durchgeführt hat und wie die männlichen Beamten durch die geöffnete WC-Türe gafften. Diese bestreitet alles. Den durchsichtigen Medizin-handschuh habe sie nur zum Abtasten der Frauen verwendet. Sie habe ihn kurz daraufhin weggeschmissen. Warum dieser jedoch nicht gefunden wurde, kann sie sich nicht erklären.

Der Hundeführer bestreitet, daß ein zweiter Köter im Einsatz war. Er kann sich überhaupt an gar nichts erinnern, auch nicht an das Aktionseinsatzgespräch. ("Ich weiß nicht, ob Frauen dabei waren. Ich schau ja nicht extra, ist das jetzt eine Frau oder ein Mann." (?!) Daß es KEINEN Hausdurchsuchungsbefehl gab, wußte er natürlich auch nicht. Er hat nichts gehört und nichts gesehen, sei während der 4 Stunden in einer Nische gestanden, von wo aus man nur den Eingang des Waschraumes sehe, ob es drinnen zu Analvisitatio-nen kam, könne er aber auch nicht sagen, er sah nur die Tür. Was war dann seine Aufgabe während des Einsatzes? "Beamtensicherung."

Weitere Fragen des Rechtsanwaltes, ob Beamtensicherungen immer SO durchgeführt würden, wurden vom Vertreter der Behörde, Oberstleut-nant Franz Polzer (Landesgendarme-riekommando NÖ, Kriminalabtei-lung) mit dem Verweis auf polizeitaktische Geheimnisse abgewiesen. Er war auch nie im Zimmer des Babys. Außerdem habe sein Hund "im Dienst noch nie jemanden abgeschleckt." Das wenige, daß aus ihm herausgelockt werden konnte, reicht aus, um zu beweisen, daß seine Aussagen und die seiner Kolegin im Widerspruch stehen. Bullen sind zum Glück sogar zu blöd, sich abzusprechen bzw. ihre Konstruktionen aufrechtzuerhalten.

Der nächste Verhandlungstermin wurde für Donnerstag, den 13. Juli, 9am, UVS St. Pölten, Wienerstr. 54, 6. Stock, vereinbart. Es sollen die 4 Frauen vernommen werden, die am Montag aus Zeitmangel nicht mehr aussagen konnten. Es ist wichtig, daß viele Leute auch am Donnerstag dort hinfahren und so nicht nur ihre Solidarität mit den Betroffenen zeigen, sondern sich diese Schweine-reien anhören und dann auch darüber berichten. Die Verhandlungen werden voraussichtlich noch lange, vielleicht Monate, dauern.

Der UVS ist in der Nähe vom Bahnhof St.Pölten, Züge von Wien West gehen stündlich, die Verhand-lungen sind öffentlich.


für diese Ausgabe verantwortlich:
Ökologische Linke (ÖKOLI)