06.07.2000

§248 / Abs 5

widerstandswoche 23

Haider & Lega Nord
An die 150 Abgesandte der Lega Nord machten sich auf die Reise um sich mit der FPÖ-Kärnten zu treffen. Ziel des Treffens war laut FPÖ-Landesklubobmann Martin Strutz ein "Gedankenaustausch auf politischer und organisatorischer Ebene". Gesprochen wurde dann natürlich viel über die EU-Sanktionen, die von beiden Organisationen abgelehnt werden. Die VertreterInnen der Lega Nord kamen aus der Stadt Vicenza, in der Jörg Haider schon im Herbst 1999 an einer Wahlkampfveranstaltung der Lega teilgenommen hat, und dabei laut der Lega-Zeitung "Padania" "Viva la Padania (Es lebe Padanien)" gerufen hat.
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Zehntausende Akten über NS-Raub in Wiener Archiv
Jahrzehntelang lagen weit mehr als 100.000 Akten im Archiv der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland geheime Akten der berüchtigten Zentralstelle für jüdische Auswanderung und der Abteilung für Vermögensentziehung einschließlich der Transportlisten mit den Namen jener jüdischen BürgerInnen, die aus Wien in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden sind. Die Akten dokumentierten nicht nur die Deportationen der Juden aus Österreich, sondern auch die Enteignungen unter Mitwirkung der Banken. Sie belegen zudem, daß die Österreichischen Behörden bereits in den ersten Nachkriegsjahren über Umfang und Inhalt der Enteignungen umfassend informiert waren.
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Polizei verdoppelt Präsenz
Nach den Vorfällen bei den jüngsten "Donnerstagsdemos" ändert die Polizei nun ihre Taktik. Künftig sollen doppelt so viele Beamte eingesetzt werden. "Sensible Objekte" sollen so ausreichend geschützt werden. DemonstrantInnen, die in Häuser eindringen, werden namentlich registriert und gegebenenfalls auch angezeigt. Nach Ansicht der Polizei müsse den DemonstrantInnen von Beginn an klar gemacht werden, wo die Grenzen der Demonstrationsfreiheit liegen.
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Rassismusbeobachtung der EU
Laut Beate Winkler, der Leiterin der EU-Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gibt es, seit die neu rechts/rechtsextreme Regierung an der Macht ist, "keine einzige fremdenfeindliche Initiative dafür viele Fortschritte."
Kein Wort verlor sie über jene vier Menschen, die im Mai in Polizeigewahrsam unter mysteriösen und nach wie vor nicht aufgeklärten Umständen starben wurden; kein Wort über Johann Szilvássy, Professor für Anthropologie, Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Republik, der im Auftrag der Justiz Geschlechtsorgane und Knochen von Duzenden Afrikanern vermißt, um dubiose Altersbestimmungen durchzuführen, aufgrund derer dann doppelte Strafdrohung, härtere Haftbedingungen etc. erlassen werden; kein Wort über "Unsere Ehre heißt Treue" ; kein Wort über die rassistische "Operation Spring" ...
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Die Meinungsumfrage des Monats ...
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INTEGRAL sind 8% der ÖsterreicherInnen der Meinung, daß der Massenmord an den Jüdinnen und Juden im 3. Reich historisch nicht erwiesen sei. Überdurchschnittlich glauben dies ältere Menschen und FPÖ-Wählerinnen. Weitere 10% der Befragten wollten sich zu dieser Frage nicht äußern.
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Brandanschlag
Am 27. Juni 2000 wurde auf ein Gebäude in Salzburg, in dem AusländerInnen wohnten, ein Brandanschlag verübt. Die BewohnerInnen konnten sich in Sicherheit bringen. Wie üblich schließt die Polizei von vornherein einen politischen Hintergrund aus.
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Wider die postfaschistische Intimität!

Die postfaschistische Demokratie baut auf dem Sozialpakt auf, den der Nationalsozialismus gewaltsam durchgesetzt hat und steht so in direkter Kontinuität zu diesem. Umso vehementer müssen dieser Staat und diese Gesellschaft jeglichen Zusammenhang leugnen und sich als das ganz andere darstellen. Die dazu notwendige Abtrennung der nationalsozialistischen Geschichte wurde in Österreich durch den Mythos erreicht, Österreich sei das erste Opfer der nationalsozialistischen Aggression gewesen, der zum obersten Grundsatz des Umgangs mit der NS-Vergangenheit wurde. So verschwanden die TäterInnen sowie deren Geschichte nach dem 8. Mai 1945 gänzlich in dieser Auftrennung: der solcherart verbal konstruierte vollständige Bruch mit dem Nationalsozialismus, mit seinen Ursachen und Folgen, war und ist das identitätsstiftende Moment der postfaschistischen Demokratie.
Einher mit dieser Auftrennung ging die Behauptung, daß der Antisemitismus der Vergangenheit angehöre, weil ihm nur jene kleine Clique anhing, die für die NS-Herrschaft und ihre Verbrechen verantwortlich war. Damit war die Differenz von TäterInnen und Opfern von Beginn an nivelliert; wenn niemand TäterIn war, waren alle Opfer. Diese kollektive Verdrängung der Beteiligung an der Massenvernichtung des europäischen Judentums mittels der herbeiimaginierten Opferrolle schuf die speziell österreichische postnationalsozialistische Intimität.

Wunsch nach Schlußstrich

Die öffentliche Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit stand also von Anfang an unter dem Vorzeichen, einen Schlußstrich ziehen und die Vergangenheit bewältigen zu wollen. So hieß es bereits in der Unabhängigkeitserklärung der provisorischen Regierung vom 27. April 1945, "daß die nationalsozialistische Reichsregierung Adolf Hitlers kraft dieser völligen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Annexion des Landes das macht- und willenlos gemachte Volk Österreichs in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg geführt hat, den kein Österreicher jemals gewollt hat, zur Bekriegung von Völkern, gegen die kein wahrer Österreicher jemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gehegt hat. [...] Jene freilich, die nur aus Willensschwäche, infolge ihrer wirtschaftlichen Lage, aus zwingenden öffentlichen Rücksichten, wider innere Überzeugung und ohne an den Verbrechen der Faschisten teilzuhaben, mitgegangen sind, sollen in die Gemeinschaft des Volkes zurückkehren und haben nichts zu befürchten."
Der Übergang zu einer auf politische wie ökonomische Stabilität und auf "Fortschritt" ausgerichteten Politik machte das "gewollte Vergessen" zu einem Pfeiler des politischen Konsenses und der Stabilität. Die auch nach der militärischen Niederlage ungebrochene Identifikation mit der Nation brauchte den Schlußstrich unter eine Vergangenheit, die als das größte Verbrechen der Menschheit und als nationale Schande firmiert. Die Erinnerung an die Vernichtung des europäischen Judentums, die ohne massenhaftes Mitmachen nicht funktioniert hätte, mußte aus der nationalen Geschichte externalisiert und so zur Geschichte der "Anderen", der Jüdinnen und Juden, gemacht werden. Damit wurden sie zu den RepräsentantInnen der Vergangenheit projiziert. Auschwitz, das aus der österreichischen Nationalgeschichte ausgeschlossen wurde, wurde so zum Problem des Judentums gemacht und gleichzeitig gegen jene gewendet, die an die Vernichtung erinnern.
Die ersehnte positive nationale Identität erfordert eine identifikationsfähige Vergangenheit die es aber angesichts der Vernichtung des europäischen Judentums nicht geben kann. Wer diese objektive Grenze nicht zur Kenntnis nehmen will, wird die TrägerInnen der Erinnerung als "lästige Störenfriede" abqualifizieren, die den ersehnten Schlußstrich durchkreuzen. Wer "stolz ist, einE ÖsterreicherIn zu sein", empfindet es als störend, daß die Wertigkeit der von ihm oder ihr gewählten kollektiven Identität immer wieder durch die Erinnerung an die Vergangenheit gemindert wird. Jüdinnen und Juden stehen dem "gesunden Nationalbewußtsein" im Wege, weil sie an die nationale Untat erinnern. Der Antisemitismus, der sich aus aggressiven Entlastungswünschen speist, ist als damit "Antisemitismus wegen Auschwitz" zu charakterisieren.
Die Abwehr der Erinnerung bedient sich antisemitischer Projektionen, die lediglich eine neue Ausprägungsform erhalten. Der sekundäre Antisemitismus ist eine Reaktion des Antisemitismus auf die gesellschaftlichen Veränderungen nach der Vernichtung des europäischen Judentums.
Er gründet einerseits in den ungebrochenen gesellschaftlichen Bedingungen, die das bürgerliche Subjekt für Antisemitismus und Nationalismus prädisponieren, andererseits in der dazu notwendigen Verdrängung der Vernichtung des europäischen Judentums, ohne der eine bruchlose Identifikation mit der österreichischen Nation nicht mehr möglich ist. Der "Antisemitismus wegen Auschwitz" bildet so die Grundlage für umfassende antisemitische Paranoia, die alle Motive des modernen Antisemitismus weiterführt. (Selbst-) Destruktive Element werden abgespalten und auf das Judentum projiziert, das zur personalisierten Repräsentation, all dessen wird, was dem bürgerlichen Subjekt und seiner Zugehörigkeit zum nationalen Kollektiv bedrohlich erscheint.
Der Versuch, die nationale Identifikation aufrechtzuerhalten bringt eine Tendenz zur irrationalen Abwehr und zum aggressiven Zurückschlagen hervor, um sich der Vernichtung zu entledigen und so die Vergangenheit in Übereinstimmung mit den narzißtischen Wünschen nach kollektiver Identität zu bringen.

Strategien der Abwehr

Die Abwehr der Erinnerung, die sich mit antisemitischen Stereotypen verknüpft, bedient sich unter anderem des Konstrukts der "typisch jüdischen Geldgier". Während die ÖsterreicherInnen nur "normal" weiterleben möchten, würden sich die Jüdinnen und Juden noch an ihrem eigenen Untergang bereichern und könnten deswegen die Vergangenheit nicht ruhen lassen, um sich besondere Privilegien zu sichern. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des FPÖ-Abgeordneten Peter Sichrovsky zu sehen, in der er den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzikant als "eitlen Berufsjuden" bezeichnete, der die Vernichtung dazu benutze, persönliche und finanzielle Vorteile für sich herauszuschlagen.
Die Jüdinnen und Juden werden weiters als durch und durch rachsüchtig konstruiert: sie seien nicht zur Versöhnung bereit und könnten nicht verzeihen. Kurt Waldheim etwa führte in einer Rede vor einer Delegation des Kriegsopferverbandes aus: "Diese Lobby, die es dort gibt an der Ostküste Amerikas, die ist ungeheuer brutal und rücksichtslos und hat nur einen Wunsch: Rache zu üben. [...] Die Folgen werden nicht so sein, wie sie sich's vorge-stellt haben. Sie sehen nicht, daß wir bereit sind diese Herausforderung anzunehmen. Die werden sich noch wundern, die werden sich noch wundern."
Nicht die Mächtigkeit des Geschehenen die staatlich betriebene Vernichtung von Millionen von Menschen wird als Ursache der Macht der Erinnerung identifiziert, sondern die Macht der personalisierten Instanz dieser Erinnerung: die "verschwörerische Macht des Judentums", welche über dunkle Kanäle Einfluß auf Österreich nehme, weswegen dieses nicht zur "Normalität" zurückfinden könne. So werden die ehemaligen (und zukünftigen) Opfer als Täter projiziert, gegen die Notwehr angesagt ist, und die für den Antisemitismus selbst verantwortlich sind. So bemerkte etwa Jörg Haider aus Anlaß der israelischen Reaktionen auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ augenzwinkernd, daß man jetzt ja wohl wisse, woher der Antisemitismus stamme. Der Inhalt dieser Denkfigur ist die Botschaft, daß Jüdinnen und Juden sich anständig benehmen müßten, denn sonst wird es leider wieder antisemitische Reaktionen geben: "Natürlich sind wir Österreicher keine Antisemiten mehr, aber wenn ihr Juden uns dermaßen provoziert, dann können wir beim besten Willen nichts dagegen tun, dann ist unser Antisemitismus geradezu eine zwanghafte Folge eures Verhaltens."
Substanz der pathischen Projektion, welche der Antisemtismus darstellt, ist die Übertragung gesellschaftlich tabuierter Regungen des Subjekts auf das Objekt. Das Subjekt projiziert seine nicht offen artikulierbaren Aggressionsgelüste als böse Intention in die Außenwelt, gegen die es sich zu wehren habe. So werden die ehemals Verfolgten über die Konstruktion, daß sie, indem sie an die Verfolgung erinnern, in Wirklichkeit VerfolgerInnen seien, erneut zu Verfolgten und der oberflächlich tabuisierte Antisemitismus charakterisiert in seiner sekundären Form die österreichische Normalität.

Wider den österreichischen Normalzustand!
Gegen Volk, Staat und Nation!

hump [h mp] I s. 1. Buckel m, bsd. des Kamels: Höcker m; 2. kleiner Hügel: be over the ~ fig. über den Berg sein; 3. Brit. F a) Trübsinn m, b) Stinklaune f: give s.o. the ~ -> 6; II v/t. 4. oft ~ up (zu e-m Buckel) krümmen: ~ one's back e-n Buckel machen; 5. a) sich et. aufladen, b) schleppen, tragen: ~ o.s. (od. it) Am. sl. sich 'ranhalten' (anstrengen); 6. Brit. F a) j-n trübsinnig machen, b) j-m 'auf den Wecker fallen'; 7. V 'bumsen' (a. v/i.);


für diese Ausgabe verantwortlich:
Basisgruppe Politikwissenschaft