14.06.2001

§248 / Abs 46

Widerstandswoche 72

Kirche:
Die positiven Aspekte des Gemeinschaftsgefühls während der NS-Herrschaft hob der Abt des Stift Kremsünsters Oddo Bergmaier bei einer Firmpredigt hervor. Mittlerweile hat er sich für seine Aussage entschuldigt

Zuwanderung:
Die von der Wirtschaft geforderten Fachkräfte sollen nun durch eine Senkung der Quote für Familienzusammenführungen doch stärker in Österreich einwandern dürfen, als ursprünglich geplant. Die gesamte Zuwanderungsquote wird, gemäß dem Regierungsübereinkommen, laut Innenminister Strasser jedoch gesenkt werden. Weiters spricht Peter Westenthaler (FPÖ) von einem Integrationsvertrag für Ausländer, der als Kern verpflichtende Sprachkurse beinhalten soll. Begleitende Kurse müssten laut Westenthaler über "Land und Leute" oder auch "Kultur und Tradition" besucht werden. Wer sich nicht dem Vertrag unterzieht soll weniger Sozialleistungen und keine Arbeitsgenehmigung erhalten. Außerdem könnten "Integrationsunwillige" mit dem Ende der Aufenthaltsbewilligung bestraft werden.

Sicherheitsoffensive:
Der NÖ Landesobmann der FPÖ - Unsere Ehre heißt Treue - Ernest Windholz fordert von Innenminister Ernst Strasser eine "stärkere Kontrolldichte" durch das Bundesheer an der Grenze. Dazu spricht er sich für die Einrichtung von Schubhaftplätzen im Wald- und Weinviertel aus. Auch die Landeseschäftsfüfhr-erin der NÖ Sozialdemokraten Karin Kadenbach ortet einen Mangel an Gendarmerie- und Grenzüberwachungspersonal.

Bahnhof:
Freundlich und sauber sollen die Wiener Bahnhöfe der Zukunft sein. Zu diesem Zweck wird den Kolporteuren nun verboten ihre Zeitungen und Magazine auf dem Boden zu legen. Die "bazarähnliche" Atmosphäre solle einem ästhetisch ansprechenden Bild weichen, so die ÖBB.

EU:
Rund 150 Demonstranten nahmen am Samstag an einer Demonstration der weit rechts stehenden Plattform "Aktion EU-Austritt." Es wird eine neuerliche EU-Abstimmung propagiert. Im Winter hatten die Aktivisten bei ihrem Volksbegehren knapp 200 000 Unterschriften gesammelt. Einige FPÖ Politiker streben, angeregt durch eine Ablehnung des Vertrags von Nizza durch die irische Bevölkerung, eine Volksbefragung in Österreich über die EU-Erweiterung an. Laut Jörg Haider sei auch eine Volksabstimmung gut vorstellbar. über was genau abgestimmt werden soll, kann von Seiten der FPÖ nicht beantwortet werden.

Kreuzzug in Khartoum

Eine Massenversammlung mit dem deutschen Prediger Bonnke wurde von der Polizei gesprengt. Dessen Kollegen in den USA drängen auf eine härtere Linie gegen das Regime im Sudan. von thomas schmidinger

Wenige Tage vor Ostern wurden Khartoum und die Nachbarstädte Omdurman und Bahri plötzlich von einer Fülle christlicher Propagandaplakate überschüttet. Sie kündigten einen Auftritt Reinhard Bonnkes an, eines evangelikalen Fundamentalisten aus Deutschland, der seit Jahren gemeinsam mit US-amerikanischen fundamentalistischen Sekten Missionsarbeit in Afrika leistet. Die Plakate verbreiteten den Slogan >>Keep the fire burning<< in Englisch und Arabisch und zeigten ein Foto, auf dem Tausende AfrikanerInnen dem >>Prediger und Heiler<< aus Deutschland zujubeln. Vor allem in der Nähe der evangelikalen Kirchen Khartoums, Omdurmans und Bahris waren die Plakate nicht zu übersehen. Wer mit den größtenteils aus dem Südsudan stammenden Gläubigen sprach, erlebte ein wahres Trommelfeuer der Begeisterung für den Fundamentalisten aus Deutschland.

Bonnke hatte bereits imVorjahr die Hauptstadt des von einer islamistischen Militärdiktatur regierten Sudan besucht. Damals waren Hunderttausende zu seinen Massenveranstaltungen geeilt, um angebliche Heilungen im Namen Gottes mitzuerleben. Die Gemüter bewegte insbesondere der Umstand, dass Bonnke auch explizit Muslime ansprechen wollte, um sie zum >>wahren Glauben<< zu bekehren. Der Übertritt zu anderen Konfessionen ist nach islamischem Recht verboten. Tatsächlich waren viele der BesucherInnen von Bonnkes Massenveranstaltungen Muslime, die meisten kamen aber wohl vor allem aus Sensationslust.

Die alteingesessenen arabischen Kirchen im Nordsudan haben kaum größere Probleme mit dem sudanesischen Staat und der muslimischen Bevölkerungsmehrheit. Der koptische Bischof von Khartoum nahm sogar immer wieder explizit das Regime Omar al-Bashirs gegen den Vorwurf in Schutz, es verfolge die Christen. Zwischen den fundamentalistischen Kirchen aus Europa und den USA, die vor allem im Süden des Landes, in den Nuba-Bergen und unter südsudanesischen Flüchtlingen im Nordsudan Missionsarbeit betreiben, und ihren islamischen Konkurrentinnen dagegen kommt es immer wieder zu scharfen Konflikten.

Diese spitzten sich im Fall Reinhard Bonnkes, der für seine aggressiven und finanziell gut abgesicherten Werbekampagnen bekannt ist, besonders zu. Auch in anderen afrikanischen Ländern ist er mit evangelikalen Freikirchen aktiv und predigt auf medienwirksamen Massenveranstaltungen. Die aggressive Missionspolitik Bonnkes und seiner Anhänger forderte dabei den Widerspruch anderer Religionsgemeinschaften und zuweilen auch staatlicher Stellen heraus. So hat die äthiopische Regierung den deutschen Prediger nach Zusammenstößen seiner Anhänger mit Gläubigen der traditionellen Nationalkirche kurzerhand ausgewiesen und ihm ein Einreiseverbot erteilt.

Doch obwohl Bonnkes Rolle der sudanesischen Regierung bekannt gewesen sein dürfte, erhielt er das Einreisevisum. Die Veranstalter seiner Massenversammlung bestanden darauf, sie an einem zentralen öffentlichen Platz in Khartoum abzuhalten, womit sie die Anhänger des erst einen Monat zuvor verhafteten ehemaligen Parlamentspräsidenten und Chefideologen des Regimes, Hasan al-Turabi, und andere islamische Fundamentalisten herausforderten. Turabis Anhänger sahen eine gute Gelegenheit, sich gegenüber ihren ehemaligen Verbündeten im Staatsapparat als Hüter der Religion zu profilieren und klebten wenige Tage nach dem Auftauchen der Bonnke-Plakate die Stadt mit Aufforderungen zu, den Veranstaltungen des >>Kafir<<, des Ungläubigen, fernzubleiben.

Nach Angaben der sudanesischen Regierung gingen Drohungen islamistischer Extremisten ein, die evangelikale Versammlung mit Anschlägen zu sprengen. Die Veranstaltung wurde daraufhin verboten, doch Bonnke und seine Anhänger hielten sie trotzdem ab. Auf Befehl des Gouverneurs von Khartoum löste die Polizei die öffentliche Osterfeier unterm Einsatz von Tränengas und scharfer Munition auf. Dabei wurden nach Angaben von Augenzeugen einige Anhänger Bonnkes getötet oder schwer verletzt.

Aus >>Sicherheitsgründen<< untersagte die Regierung noch am selben Tag öffentliche Osterfeierlichkeiten im ganzen Land. Bonnke reiste auf die Bitte des Sudanese Council of Churches ab und überließ seine verunsicherten Anhänger sich selbst. Bei Straßenprotesten gegen das Verbot der evangelikalen Versammlungen kam es wiederum zu Verletzten. Einige Christen - auf die die im Sudan geltende Sharia, das islamische Recht, eigentlich nicht angewendet werden dürfte - wurden im Schnellverfahren zu Peitschenhieben verurteilt. Alfred Taban, ein prominenter Journalist der englischsprachigen Wochenzeitung Khartoum Monitor und Mitarbeiter von BBC und Reuters, wurde als Beobachter der Proteste festgenommen und fast eine Woche lang in Haft gehalten.

Für die christlichen Missionskirchen, insbesondere die fundamentalistischen Sekten, liefert die aggressive Arabisierungs- und Islamisierungspolitik der Regierung ein passendes Feindbild. Das Militärregime, das auch im mehrheitlich islamischen Norden von der Bevölkerung kaum noch unterstützt wird, ist nicht nur wegen möglicher christlicher Missionserfolge besorgt. Für die sudanesische Außenpolitik ist insbesondere der nicht zu unterschätzende Einfluss evangelikaler Sekten auf die neue US-Regierung brisant.

Prediger wie Franklin Graham, der Sohn Billy Grahams, versuchen die US-Außenpolitik gegen den Sudan zu mobilisieren. Die Kampagne Reverend Al Sharptons, die der sudanesischen Regierung und den sudanesischen Muslimen Sklavenhandel mit Südsudanesen vorwirft, wird seit vorletzter Woche von Stars wie Michael Jackson unterstützt. Franklin Graham und andere US-Evangelikale sprechen bereits von ihrem >>Heiligen Krieg der Worte<< im Unterschied zum >>Heiligen Krieg<< der sudanesischen Regierung.

Dieser Kreuzzug wird auch auf höchster Ebene zur Kenntnis genommen, zumal es wegen der Erschließung der sudanesischen Ölquellen und wegen des wachsenden chinesischen Einflusses (Jungle World, 9/01) auch realpolitische Argumente für ein stärkeres Engagement gibt. So erklärte US-Außenminister Colin Powell zur Lage im Südsudan, wo seit 1983 Bürgerkrieg herrscht: >>Es gibt vielleicht heute keine größere Tragödie auf der Erde.<< Bereits Anfang März hatte er angekündigt, dass die Sudan-Politik künftig >>eine Priorität sein wird<<.

Zuerst erschienen im JUNGLE WORLD 19/2001 (2.Mai 2001)