10.05.2001

§248 / Abs 44

Widerstandswoche 67

#Freispruch
"Profil"- und "trend"-Herausgeber Christian Rainer hat am Montag in letzter Instanz ein Verfahren wegen übler Nachrede gegen den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider gewonnen. Anlass des Verfahrens war ein "trend"-Kommentar, in dem Rainer dem Ex-FPÖ-Chef vorgeworfen hatte, "Naziparolen" zu verwenden.

#Spitzelaffäre
Das Verfahren gegen den Salzburger FPÖ-Landesparteichef Karl Schnell sowie die beiden FP Landtagsabgeordneten Helmut Naderer und Friedrich Wiedermann wird eingestellt. Die umfangreichen Ermittlungen hätten nichts Konkretes ergeben, das eine Anklage rechtfertigen würde, tönt es aus dem Justizministerium.

#Imagekampagne
Die Kärtner Marketing GmbH, die im Auftrag von Landeshauptmann Haider sämtliche Großevents im Lande organisiert, startet nun eine Werbeoffensive mit dem News-Verlag als Medienpartner. Darin sollen fünf Wochen lang auf insgesamt 20 Seiten Botschaften aus Kärtnen transportiert werden. Dass dabei Jörg Haider, nach der unlängst durchgeführten Eigenwerbekampagne "Kärnten blüht auf", erneut als Zugpferd herhalten muß, sei durch seinen Beruf als Landeshauptmann zu erklären, so Franz Pacher (VP) Präsident der Wirtschaftskammer.Die Kärntner Tourismuswirtschaft sieht das anders, und möchte die "Haider-Werbung" nicht mitfinanzieren.

#Razzia
Am Donnerstag den 3.5. stürmten um ca. 20:30 um die 30 Polizist(inn?)en mit gezogenen Waffen ein afrikanisches Lokal im 2. Bezirk und nahmen 4 Gäste fest, weil deren Papiere angeblich nicht in Ordnung waren. Auch das Personal wurde verhaftet, am nächsten Tag aber wieder freigelassen, da ihnen nichts angehängt werden konnte. (mund)

#Operation Spring
Der bei der Polizeiaktion eingesetzte Dolmetscher Douglas Samson I., ist, laut Falter, seit Jahren Sekretär der Deutschland-Sektion der nigerianischen Regierungspartei (PDP). Der Diplomat hat der nigerianischen Drogenbekämpfungsbehörde (NDLA) über im Ausland des Drogenhandels angeklagte oder verurteilte nigerianische Staatsbürger zu berichten. Dadurch droht bei einer Rückkehr eine Gefängnisstrafe wegen "Schädigung des Images Nigerias im Ausland."
Douglas Samson I. wertete die im Zuge der Abhöraktion aufgezeichneten in Ibo geführten Gespräche aus, und ordnete die einzelnen Aussagen den Angeklagten zu. Ein weiterer Dolmetscher wurde nicht herangezogen.

#Neonaziprozess
Wegen Wiederbetätigung wurde die Oberösterreicherin Nora Gruber am Landesgericht Salzburg zu 18 Monaten, davon sechs unbedingt, verurteilt. In ihrer Wohnung wurde eine Unmenge an nationalsozialistischen Material gefunden. Nora Gruber soll zu der Salzburger Neonazi-Szene rund um Günther Reinthaler gehört haben.

An- und Widerständige ÖsterreicherInnen (2)

Die Existenz antisemitischer Ressentiments wurde von der gesamten Widerstandsbewegung weitgehend verschwiegen. Es brauchte über ein Jahr schwarz-blauer Regierung, bis auch dieses Thema Einzug in die ProtestlerInnenszene fand. Anlass waren die antisemitischen Ausfälle Haiders gegen Ariel Muzicant. Als ob es nicht schon davor antisemitische Hetze von seiten prominenter FPÖ-ler gegeben hätte, reagierte die sehr österreichische Protestbewegung mit der ersten Donnerstagdemonstration die sich "primär gegen Antisemitismus" richtete. Fast ein Monat medialer Auseinandersetzung mussten verstreichen ehe sich das Aktionskomitee gegen schwarz-blau zu dieser "Tat" entschied. Die Solidarität mit den Kampfmassnahmen ankündigenden LehrerInnen war eben wichtiger als gegen den antisemitischen Normal-zustand anzukämpfen
Kein Wunder, hatten doch Antisemitismus und Rassismus ihren festen Platz in der Widerstands-bewegung. So kam es bereits bei den Vorbereitungen zur Demonstration am 12.November 99 zu wüsten rassistischen Ausfällen seitens VertreterInnen von SOS-Mitmensch gegen anwesende MigrantInnen. SOS-Mitmensch bot bereits zu Zeiten der grossen Koalition an, Konzepte für eine humane Schubhaft auszuarbeiten. Dessen Sprecher Max Koch gab in einem Interview mit der Jungle World zum besten, dass mensch nicht so unrealistisch sein kann und behaupten, jeder Ausländer könnte hier bleiben.
Ein anderes Beispiel für die mit dem postfaschistischen Konsens kaum brechende Widerstandsbe-wegung trug sich im Oktober letzten Jahres zu. Im MUND, einem Email-Verteiler der ProtestlerInnen, wurde ein offensichtlich antisemitisches Mail veröffentlicht. Daraufhin entbrannte ein Diskussion, die in ihrer Fülle an Scheußlichkeiten nicht wiederzugeben ist. Ein Beispiel will ich hier stellvertretend für den Wahnsinn dieser Bewegung wiedergeben: "liebe widerständler: vergesst den beitrag einfach, und wendet euch dem essentiellen dingen zu. nämlich widerstand zu leisten. und das funktioniert nur wenn wir eine einheitliche front bieten. dazu gehört auch, daß man fehler anderer genauso wie die angenehmen dinge mitträgt."
Werden wir wieder etwas aktueller. Am 16.März diesen Jahres fand eine von Demokratischer Offensive und mehreren MigrantInnengruppen organisierte Grosskundgebung auf den Wiener Stephansplatz statt. Diese im Zeichen des Wiener Wahlkampfs stehende Manifestation hofierte trotz wiederholter Betonung, dass dies keine parteipolitische Veranstaltung sei, eine rot-grüne Koalition, die nach den Wiener Wahlen zu bilden sei. Unter dem Motto " GESICHT ZEIGEN! STIMME ERHEBEN! Gleiche Rechte für alle" wurde all jenen MigrantInnenvertreterInnen eine Rede gewährt, für die die Wahrung der Demokratie eine ernste Sache ist. Die Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht für MigrantInnen, die bereits Wochen davor von der Wiener Wahl Partie erhoben wurde, ist notwendig. Wird diese Forderung aber nicht mit einer prinzipiellen Kritik an Staat, Nation und Volk konterkariert, gleicht sie dem Versuch den Teufel mit dem Belzebuben auszutreiben.
Der bügerliche Antifaschismus, der statt einer radikalen Kritik gesellschaftlicher Vehältnisse, deren Affirmation betreibt wird so zum zweiten Standbein des Staates. Er sorgt nicht nur für Ruhe und Ordnung innerhalb der Widerstandsbewegung, er sorgt auch dafür, dass diese Verhältnisse weiter bestehen. Er sorgt in seinem Bestehen auf Staatlichkeit schlussendlich dafür, dass Menschen ermordet und eingesperrt werden. So bietet der bürgerliche Antifaschis-mus ein ideologisches Fundament für all diejenigen, die dem volksgemeinschaftlichem Schweigen über das, was geschehen ist, dem gemeinsam begangenen Massenmord, verpflichtet sind.

Die Langfassung dieses Textes erscheint in der nächsten Ausgabe der Streifzüge Ende Juni.