03.05.2001

§248 / Abs 43

Widerstandswoche 66

# der 1. mai war der 2. jahrestag des mordes an marcus omofuma, der bei seiner abschiebung an den folgen der misshandlung durch oesterreichische polizeibeamte starb. (die beamten sind mittlerweile wieder im dienst.) aus diesem anlass startet eine kampagne zur errichtung eines denkmals fuer die opfer rassistischer polizeigewalt. mit einer symbolischen aktion am 1. mai sollte die spoe an ihre verantwortung erinnert werden. gleichzeitig startet ein wettbewerb unter kuensterlerInnen fuer ein solches denkmal, das am 1. mai 2002 enthuellt werden soll.

# tödliche schengengrenze:
bereits am 8. april ertrank ein 8jähriges kind in der march. slowakische grenzerInnen hatten illegalisierte aufgegriffen, wobei das kind in die march "fiel" und nicht wieder gefunden wurde. österreichs beamtInnen nahmen den "vorfall zur kenntnis".
in der schweiz `starb` ein schubhäftling, als dortige beamtInnen versuchten, ihm handschellen zum zwecke der abschiebung anzulegen. die beamtInnen hatten nach eigenen angaben "gewalt" angewendet. infos zb in nzz

# ca. 3000 anhaengerInnen der rechtsextremen npd beteiligten sich in verschiedenen deutschen staedten an aufmaerschen zum 1. mai. in mannheim starteten gegendemonstrantInnen den versuch die rechtsextremistInnen durch eine sitzblockade aufzuhalten. die polizei nahm schließlich linke demonstrantInnen fest. in kreuzberg setzte die polizei wasserwerfer und traenengas gegen die demonstrantInnen ein. mayday demos und aktionen fanden weltweit statt. allerdings fast überall polizeilicherseits `behandelt`. infos zb. www.indymedia.org

# die fpoe fordert nun - via westenthaler - die koppelung des aufenthaltsrechts und der arbeitsbewilligung fuer migrantInnen an den nachweis von deutsch-, landeskunde- und kulturkenntnissen. diese neuerliche diskriminierung soll als integration verkauft werden.

# auch hilmar kabas darf noch was sagen. sein vorschlag zum tag: statt migrantInnen sollten aeltere arbeitslose den personalmangel in der IT-branche eingesetzt werden.

# und damit wir es uns auch wirklich merken, setzt riess-passer bei der fpoe-maifeier im "Europabierstadl" - auf dem Urfahraner Jahrmarkt noch eins drauf:
"Österreich war und ist kein Einwanderungsland". statt zuwanderung braeuchte oesterreich - erraten - mehr foerderung fuer familien.

# die staatsanwaltschaft macht in sachen spitzelskandal gegen journalistInnen mobil. der grün-politiker pilz hatte auf einer pressekonferenz ein disziplinarerkenntnis des innenministeriums verteilt, das die verurteilung des - mittlerweile zum fp-landtagsabgeordneten befoerderten - lepold mayerhofer wegen illegaler ekis-abfragen betraf. journalistInnen, die darueber berichteten, steht nun ein verfahren wegen "verbotener veroeffentlichung" bevor. der strafrahmen liegt bei 6 monaten, eine verurteilung gilt allerdings als unwahrscheinlich.

# jh greift in die mottenkiste und findet die idee das amt des bundespraesidenten abzuschaffen. schon in frueheren ausfuehrungen zur "3. republik" sprach er sich fuer die zusammenlegung der kompetenzen bei einem starken bundeskanzler aus. dieses modell wurde zuletzt von der nsdap verwirklicht.

# das oevp-stadtfest wurde - laut augenzeugInnenberichten - durch massen bunter luftballons mit dem bekannten blauschwarzen NO wesentlich bereichert.

# dass antisemitismus keine spezialitaet von fpoe-politikerInnen ist, belegte diesmal oevp-generalsekretaerin rauch-kallat. befragt zu den haiders antisemitischen beschimpfungen ariel muzicants, bezog sie deutlich position: "Ich habe es nicht als antisemitische Aussage empfunden, sondern als Kritik an Herrn Muzicant."

An- und Widerständige ÖsterreicherInnen (1)

In den Reaktionen der Anti-FPÖ-Koalition wird das ganze Elend des demokratischen Antifaschismus deutlich. Das Festklammern an der österreichischen Normalität, dieser positive Bezug auf Österreich und sein "Volk" lassen es nicht zu, dem "Phänomen Haider" auf den Grund zu kommen. Während die neue Regierung von mehr als der Hälfte der hiesigen Bevölkerung Zuspruch einstreifte, wiederholten Sozialdemokratie und Grüne - mit ihnen Teile der Widerstandsbewegung - immer und immer wieder ihr Bekenntnis zum österreichischen Vaterland. Überschwänglicher Patriotismus wurde gegen den bösen Nationalismus ausgespielt. Die linksdemokratische Philosophin Chantal Mouffe betonte etwa in einem Interview mit der Wiener Stadtzeitung Falter die Notwendigkeit eines linken Patriotismus. "Ich weiß, dass Patriotismus aus linker Perspektive normalerweise mit Skepsis betrachtet wird, aber der Patriotismus ist eine zu mächtige Kraft, um kollektive Identitäten zu mobilisieren, als das man ihn der Rechten überlassen sollte." Der Nationalismus Patriotismus ist nur sein Kosename tritt als quasi natürliche Größe auf, der erst gar nicht bekämpft sondern nur übernommen werden kann. Mit der gleichen Begründung könnte die Linke Antisemitismus und Rassismus einfordern: "Überlassen wir ihn nicht der Rechten, machen wir ihn selber."
Die Idiotie der Feststellung Patriotismus und Nationalismus seien etwas grundverschiedenes kommen den ZivilgesellschaftsapologetInnen nicht in den Sinn. Stattdessen wird versucht im Namen der Nation ("Wir sind Österreich") gegen die Nation anzutreten. Es wird also etwas - nämlich der Nationalstaat - beschworen, das ursächlich mit dem zusammenhängt, gegen das vorgegeben wird anzukämpfen, nämlich mit Antisemitismus und Rassismus. Die Schaffung und Sicherung der Grundlage des modernen Rassismus durch den Nationalstaat, die staatliche Trennung in In- und AusländerInnen wäre ein Beispiel für diesen Zusammenhang.
Übereifrige DemonstrantInnen, die leider nicht in der Unterzahl waren, gingen gar noch einen Schritt weiter: "Wir sind das Volk", ein Slogan, der zum Vorboten der Wiedervereinigung Deutschlands wurde, tönte es lautstark, dass nicht nur MigrantInnen angst und bange wurde.
Das Volk ist in Österreich (und Deutschland) ein (potentiell) gemeingefährliches. 1996 wurde beispielsweise der Aussage "Wenn sich türkische Gastarbeiter weigern sich anzupassen, sollen sie nicht überrascht sein, wenn sie gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt sind" von 24% der ÖsterreicherInnen voll zugestimmt, 34% stimmten dem eher zu.
Die Zivilgesellschaft, die sich seit einem Jahr in Österreich selbst feiert, und die volkstreue Linke setzen nach wie vor auf anschlussfähigen Protest. Die sich abzeichnende linke Volksgemeinschaft, die für sich in Anspruch nimmt, das "andere" Österreich zu sein, versucht den vom deutschen Kanzler Schröder proklamierten "Aufstand der Anständigen" ins Österreichische zu übersetzen. Hier wird nicht mit sondern gegen die Regierung aufgestanden. Ansonsten unterscheiden sich die von den offensiven DemokratInnen vorgetragenen Pamphlete nur unwesentlich von jenen der Kameraden im Altreich. Staatlichkeit wird hochgehalten. Die Forderung nach vorzeitigen Neuwahlen, die in tiefer Sorge um Österreich erhoben wird, entspricht dem Wunsch nach einer rot-grünen Regierung, deren Staatsrassismus mensch in der BRD besichtigen kann.
So demonstrieren insbesondere die grünen, liberalen und sozialdemokratischen Teile der Protestbewegung, dass es Ihnen vor allem darum geht, dass sie und nicht andere die Herrschaft ausüben.
Die Hoffnung auf einen baldigen Regierungswechsel unterstellt, dass die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung mit der FPÖVP-Regierung ausgesprochen unzufrieden sei. In den Augen der An- und Widerständigen waren es die sogenannten ProtestwählerInnen, die der FPÖ massive Stimmengewinne einbrachten. Was liegt dann näher, als auf genau dieses Klientel zu setzen? Die FPÖ-WählerInnen unter den ArbeiterInnen werden als bloß Unzufriedene verharmlost, denen eine sozialistische Revolution oder zumindest ein "echter" Sozialstaat die rassistischen Flausen schon austreiben würde.

Die Langfassung dieses Textes erscheint in der nächsten Ausgabe der Streifzüge Ende Juni.