30.11.2000

§248 / Abs 26

Widerstandswoche 44

Auoritäre Abstimmungsdemokratie

Wie die Volksabstimmungsdemokratie der FPÖ funktioniert, zeigte sich wieder einmal am Sonntag, als die LinzerInnen über den Neubau des Theaters im Linzer Schloßberg abstimmen durften. 60% der OberösterreicherInnen sprachen sich bei einer Wahlbeteiligung von über 50% gegen das Eindringen von Kultur in den öberösterreichischen Volkskörper aus.

Noch mehr Volksabstimmungen

Ein Sammelsurium aus den Führungskadern rechter Ökogruppen wie "Heimat und Umwelt" oder dem VgT ("Verein gegen Tierfabriken") und anderer heimatverbundener EU-GegnerInnen sammelt diese Woche UnterstützerInnen eines Volksbegehrens, das sich für eine neue EU-Volksabstimmung und gegen die "EU-Diktatur" richten soll.
Und auch die FPÖ will nicht davon abgehen, das Burgenland mittels Volksabstimmung über die Osterweiterung der ganzen EU entscheiden zu lassen.

Wehrmachtsausstellung hatte doch recht!

Eine internationale Historikerkommission hat nach der intensivsten Prüfung, die je eine zeitgeschichtliche Ausstellung über sich ergehen lassen mußte, festgestellt, daß weniger als 20 von 1.433 Bildern der Ausstellung problematisch oder unrichtig betitelt wurden. GegnerInnen der Ausstellung hatten zuvor die Entfernung von über 1.200 Bildern gefordert. Die Beteiligung der Wehmacht an der Vernichtung von Zivilbevölkerung und insbeondere der Schoa ist für die internationale Historikerkommission zweifelsfrei erwiesen.

Budgetdebatte im Parlament

Seit Dienstag beraten die NationalrätInnen im Parlament das Budget. Die Diskussion der einzelnen Punkte wird fünf Tage in Anspruch nehmen und soll nach Vorstellungen der Regierungsparteien zu einem Budgetbeschluß führen, der massive soziale Einschnitte zur Folge haben wird. Diese Budgetbegleitgesetze werden jedoch erst am 6. Dezember beschlossen, weshalb am Vortag ganz Österreich stillstehen soll (siehe: http://www.checkpointaustria.at).

LehrerInnenstreik

Am 5. Dezember werden die AHS-LehrerInnen streiken - vorerst leider nur einen Tag.

Wissenschaft und Nazionalsozialismus

Erst vor kurzem wurde in der Geschichtsschreibung der Wissenschaften damit begonnen, die Darstellungen eines Niedergangs der Wissenschaften im Nationalsozialismus im Sinne einer Dominanz von pseudowissenschaftlich Ansätzen zu bezweifeln. Wissenschaft ist nicht per se "gut", "rein", "moralisch", und vor allem ist sie nicht ideologiefrei.

Anhand von verschiedenen Biographien wurde die aktive Teilnahme von WissenschaftlerInnen aller Bereiche am nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug gegen Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, Geisteskranke und Homosexuelle aufgezeigt. Der Mythos von Rasseeigenschaften und Erblichkeit, mit dem sie diese Verbrechen wissenschaftlich zu begründen suchten, mußte ihnen nicht von den Nazis aufgezwungen werden. Sie selbst drängten sich im Namen wissenschaftlicher Objektivität in die obersten Ränge der Universitäten und der Forschungseinrichtungen. Es kam zu keinem "Mißbrauch" der Wissenschaft durch den Nazionalsozialismus, vielmehr suchten die meisten WissenschaftlerInnen aktiv nach verschiedensten Formen von Kollaboration und Verflechtungen mit dem System. Vgl.:Mehrtens, Herbert: "Mißbrauch" Die historischeKonstruktion der Technik in Deutschland nach 1945, TU Braunsweig 1995 Die Konstruktion des "Mißbrauchs" ist analog zur Schuldabweisformel "Hitler benutzte das deutsche Volk" zu sehen. Wissenschaft und Technik sind keine in ihrem Wesen apolitische, wertneutrale Instrumente oder Werkzeuge. Das soll im folgenden an hand eines Beispiels - Konrad Lorenz Vgl.: Deichmann, Ute: Biologen unter Hitler. Portrait einer Wissenschaft im NS-Staat. Frankfurt am Main (1995) - verdeutlicht werden.

Konrad Lorenz: Ethologe, Nazi, Nobelpreisträger und grüner Umweltguru - ein Widerspruch?

Lorenz wurde 1903 in Altenberg bei Wien geboren und starb dort 1989. Seine Arbeit "Über den Begriff der Instinkthandlung" (1937) gilt als Beginn der vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie) und er erhielt 1973 für seine wissenschaftlichen Leistungen zusammen mit Karl v. Frisch und Nikolaas Tinbergen den Nobelpreis für Medizin.
"Und ich habe mich ja auch vor aller Politik gedrückt
[...] vor einer Auseinandersetzung mit den Nazis habe ich mich in sehr verächtlicher Weise gedrückt, ich hatte einfach keine Zeit dazu." Brügge, P.: Konrad Lorenz: Von der Gans aufs Ganze, in: Der Spiegel 45, 244-263 (1988)
Der unpolitische Mensch Lorenz trat bereits 1938 der NSDAP bei und wurde darüberhinaus Mitarbeiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP. In Österreich, wo der Katholizismus einen großen Einfluß auf die Wissenschaftspolitik hatte, hatte er mit der evolutionsbiologischen Ausrichtung seiner Forschung Schwierigkeiten gehabt, ankerkannt und finanziell unterstützt zu werden. Im Nationalsozialismus fand er die Unterstützung, die er brauchte. 1940 wurde er zum o.Professor und Direktor des Instituts für vergleichende Psychologie an der Universität Königsberg berufen.
In seinen unzähligen Texten aus dieser Zeit finden sich immer wieder Unterscheidungen zwischen "Vollwertigen und minderwertigen Individuen", er fordert auf zur "Ausmerzung ethisch Minderwertiger", spricht von "sozial minderwertigem Menschenmaterial", dessen "Ausmerzung jede Maßnahme legitimiert". Auch ruft er zu aktivster Stellungnahme, zu Taten, auf, auch wenn eine gewisse Hemmung unter den Naturforschern exsistiere, von den letzten großen Folgerungen zu reden. Lorenz, K.: Nochmals:Systematik und Entwicklungsgedanke im Unterricht. In: "Der Biologe: Monatszeitschrift des Deutschen Biologen-Vrbandes."1 / 2 (1940) 1981 behauptet er in einem Interview, nicht gewußt zu haben, daß mit "ausmerzen" oder "Selektion" Mord gemeint war. Er sei naiv, blöd und gutgläubig gewesen.
Seit 1933 war das bevölkerungspolitische Ausmerzungskonzept grundlegender Bestandteil nazionalsozialistischer Politik gewesen. Mit dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sollte "biologisch minderwertiges Erbgut" durch Zwangssterilisation ausgeschaltet werden. Das Ausmerzungskonzept gipfelte in der 1939 offiziell begonnenen Euthanasie und der 1941 begonnenen "Endlösung der Judenfrage". Vor antisemitischer Hetze schreckte Lorenz auch nicht zurück: 1943 schrieb er: "Das alte Bibelwort `Hütet Euch vor den Gezeichneten' besteht immer zu recht!" Lorenz,K.:Die angeborenen Fähigkeiten möglicher Erfahrungen, Zs. F. Tierpsychologie 5: S.312, 1943a - seit 1941 gab es eine öffentliche "Zeichnung" "rassenfremder Elemente": den Judenstern.
Lorenz beteiligte sich 1942 ehrenamtlich (!) in Posen an einer Untersuchung der "Reichsstiftung für deutsche Ostforschung" an "deutsch-polnischen Mischlingen und Polen", an deren "eignungspsychologischen und charakterologischen Wertigkeit" in hinsicht auf eine mögliche Einbürgerung. Den für nicht "einbürgerungsfähig" befundenen stand Zwangsarbeit oder die Deportation in ein Vernichtungslager bevor. Lorenz und seinen Biographen verschwiegen auch dieses Kapitel seiner Karriere immer konsequent, sowie überhaupt in Österreich seine Nazi-Vergangenheit nicht erwähnt wird.
Er kehrte 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Seine nationalsozialistische Vergangenheit war zu keinem Zeitpunkt Hindernis für seine folgende steile Karriere. 1961 wurde er Direktor des neuen Max Planck-Instituts für Verhaltensforschung, 1973 folgte der Nobelpreis für Medizin und eine Fülle von Veröffentlichungen, die vor allem eines zeigen: die Kontinuität seiner Forschungsinhalte. Zwar fordert er nun nicht mehr etwa die "Ausmerzung", sondern ändert in neu-rechter Manier seine Sprache und verpackt die selben Inhalte in ein anderes Gewand. Seine "Acht Todsünden der zivilisierten Menschheit" von 1973 seien nur als ein Beispiel von vielen erwähnt.
In den 80er Jahren engagierte er sich in der Umweltschutzbewegung. Auch für die Grünen schien weder seine Vergangenheit noch seine propagierten sozialdarwinistischen Inhalte davor abzuschrecken, an gemeinsamer Front zu kämpfen.

für diese Ausgabe verantwortlich:
Ökologische Linke (ÖKOLI)