26.10.2000

§248 / Abs 21

Widerstandswoche 39

Der Postzeitungstarif steigt ab 1. Jänner 2001 von 60 auf 90 Groschen/Stück. Gleichzeitig wird die Mindestauflage von bisher 300 auf 1000 Stück erhöht. Ab 2002 ist es dann vorbei mit den günstigen Tarifen.
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Seit 7. Oktober existiert die Plattform "Basis für Bildung", ein Zusammenschluß von VertreterInnen der Studierenden, Lehrenden und des Nicht-Wissenschaftlichen Personals , die ein Gegengewicht zum "Scheinprotest des ÖH-Vorsitzenden" Faißt bilden will. Kontakt für Wien: Olivia Steiner 0664/220 36 10
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Im Rechtsstreit Krone gegen klone.at durchsuchte die Wirtschaftspolizei die Redaktion des Internet-Satiremagazins sowie die Privatwohnungen der beiden Herausgeber. Beute: eine Kiste alter T-Shirts.
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Ein Gendarmeriebeamter aus Hallein wurde suspendiert, nachdem er in seiner Freizeit einen 17-jährigen als "Türkenschwein" beschimpft, seine Dienstwaffe auf ihn gerichtet und einen Schuß abgegeben hatte.
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Eine Gruppe von Frauen besetzte die Bundesgeschäftsstelle des AMS. Sie fordern u. a. ein Ende der Zwangsvermittlung in (prekäre) Jobs und Kurse, uneingeschränkten Zugang zu legaler Lohnarbeit und alle sozialen und politischen Rechte für MigrantInnnen und eine eigenständige Existenzsicherung für alle Frauen. Die Besetzerinnen schlossen sich Donnerstag Abend der Demo an und verließen so den Schauplatz des Geschehens.
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Richard Ibekwe ist Anfang Mai Tage nach seiner Verhaftung im Gefängnis gestorben angeblich an Drogen. Seine Angehörigen möchten den Leichnam nach Nigeria überführen und bitten (bis 6. November!) um Spenden, die Kosten belaufen sich insgesamt auf ca. S 80.000,. Spendenkonto: Die Bunten; Bankverbindung CA, BLZ 11.000;
Kontonummer: 05 210 781 000; Verwendungszweck: Richard
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Mindestens 700 DemonstrantInnen (nach Tatblatt-Zählung, die Polizei berichtete von 200) versuchten die Eingänge zum Wahlkampfauftakt der FPÖ in der Wiener Stadthalle zu blockieren. Die Demonstration wurde von Skinheads angegriffen, die laut Augenzeugenberichten wenig später von RFS-Sticker-Trägern bejubelt wurden. Es kam zu einigen gröberen Pannen falsche Eingänge wurden blockiert und zwei Verhaftungen. Bereits auf dem weg zur U-Bahn wurden vier SJ-AktivistInnen von Skinheads angegriffen, wobei einer krankenhausreif geprügelt wurde.
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Inzwischen in der Stadthalle Haider in bewährter Manier. O-Ton: "... Seit ich regiere, traut sich wirklich kein Linker ernsthaft zu demonstrieren ..."/"Dieses Land muß das Recht haben sich auszusuchen, wer hier zuwandern kann, dieses Land muß die Möglichkeit haben. Es kann hier nicht nur einen Einwanderungsstopp geben, sondern es muß auch eine klare Sichtung jener, die hier anwesend sind geben, es gibt viel zu viele Illegale, es gibt viel zu viele Straftaten, es gibt viel zu viele Drogenhändler, alle haben hier in Österreich nichts verloren und das muß unser Interesse sein, hier eine konsequente Beseitigung herbeizuführen."
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Neue Polizeiübergriffe gab es in Graz beim Besuch der "Kulturkarawane". Gegenüber Leuten von Mayday 2000 fielen von "Taurus"-Beamten Drohungen wie "Dein Gesicht merk ich mir, paß auf, daß Du mir nicht allein über den Weg läufst." als sie versuchten, den Grund für die Verhaftung eines Jugendlichen zu erfahren. Im Dunkeln kam ein Demonstrant unter den Demowagen, sein Bein wurde überfahren. Polizeibeamte forderten DemonstrantInnen, die zu Hilfe kommen wollten auf, weiterzugehen und den verletzten "liegen zu lassen" (die DemonstrantInnen folgten glücklicherweise der Aufforderung nicht). Das waren keineswegs die ersten Vorkommnisse dieser Art in Graz, besonders Mayday-AktivistInnen sind Zielscheibe der Repression.
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Wer am Samstag nach Klagenfurt mitfahren will: Anmeldung per E-Mail bei: demo_celovec@yahoo.com oder didi_zach@yahoo.de oder persönlich bei der "Botschaft der besorgten BürgerInnen" am Heldenplatz. Infos zu den internationalen Widerstandstagen in Klagenfurt im Internet unter http://www.offeneskaernten.cjb.net
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Nach dem Abgang von Elisabeth Sickl hat Österreich mit Herbert Haupt endlich einen Herrn Frauenminister.
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Unter 0800/222 666 (Gratis-Hotline) meldet sich von 8-17 Uhr das "Österreich Telefon" der österreichischen Bundesregierung Meinungen erwünscht.
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Niemals vergessen!

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten in Wien 42 Synagogen und jüdische Bethäuser, zahllose jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert, zerstört und beschlagnahmt. 6547 Juden wurden festgenommen und 3700 davon in das Konzentrationslager Dachau verschickt.


15/11 Polizeirevier
2., Reichsbrückenstraße 46
Wien, den 20. Juni 1942
Erfahrungsbericht.


Betr.: Transportkommando für den Judentransport Wien-Aspangbahnhof nach Sobibor am 14. 6. 1942.
Bezug: [...] V. 20. 3. 1942.


Das Transportkommando bestand aus Rev[ier] Lt. d. [S]ch. Fischmann als Führer, 2 Hauptw. d. Sch. und 13 Wachm. d. Sch. Res. (SB) der i. Polizei-Reservekompanie Ost. Der Dienst des Transportkommando[sl wurde am 14. 6. 1942 um 10.00 nach vorheriger fernmündlicher Anfrage bei SS-Hauptsturmführer Brunner am Aspangbahnhof angetreten.

1. Einwag[g]onierung der Juden:
Die Einwaggonierung der Juden in den bereitgestellten Sonderzug auf dem Aspangbahnhof begann um 12.00 Uhr unter Leitung und Aufsicht des SS-Hauptsturmführers Brunner und des SS-Hauptscharführers Girzik der Zentralstelle für jüdische Auswanderung und wickelte sich glatt ab. Damit setzte zugleich der Bewachungsdienst des Transportkommandos ein. Insgesamt wurden 1000 Juden abtransportiert. Die listenmäßige Übernahme der Juden erfolgte um 16.00 Uhr. Das Transportkommando mußte sich infolge Waggonmangels an Stelle eines Wagens zweiter Klasse mit einem solchen dritter Klasse begnügen.

2. Fahrt von Wien nach Sobibor:
Der Zug Da38wurde am 14. 6. 1942 um 19.08UhrvonWien abgefertigt und fuhr über Lundenburg [Breclav], Brünn [Brno], Neiße [Nysa], Oppeln [Opole], Tschenstochau [Czestochowa], Kielce, Radom, Deblin, Lublin, Chelm nach Sobibor, nicht wie vorgesehen nach Izbica. Ankunft in Sobibor am 17. 6. 42 um 8.15 Uhr. In Lublin, Ankunft am 16. 6. um 21.00 Uhr, erwartete der SS-Obersturmführer Pohl den Zug am Bahnhof und ließ 51 arbeitsfähige Juden im Alter von 15 bis 50 Jahren auswaggonieren und in ein Arbeitslager bringen. Zugleich gab er den Auftrag[,] die übrigen 949 Juden in das Arbeitslager nach Sobibor zu bringen. Die beiden Namensverzeichnisse, drei Gepäckwagen mit Lebensmittel[n] sowie 100.000, Zloty wurden dem SS-Obersturmführer Pohl in Lublin übergeben. Um 23.00 Uhr erfolgte die Abfahrt von Lublin nach Sobibor. In dem Judenlager Trawnicki, ca. 30 km nach Lublin[,] wurden die drei Waggon[s] mit Gepäck und Lebensmittel[n] dem SS-Scharführer Mayerhofer übergeben.

3. Übergabe der Juden in Sobibor:
Der Zug fuhr am 17. 6. um 8.15 Uhr in das neben dem Bahnhof Sobibor gelegene Arbeitslager, wo vom Lagerkommandanten Oberlt. d. Sch. Stangl die 949 Juden übernommen und sogleich mit der Auswaggonierung begonnen wurde, welche um 9.15 beendet war.

4. Abfahrt von Sobibor nach Wien:
Die Abfahrt von Sobibor erfolgte sogleich nach der Beendigung der Ausladung der Juden mit dem Sonderzug um 10.00 Uhr nach Lublin, wo die Ankunft am 18. 6. um 2.30 erfolgte. Für diesen Zug wurden keine Fahrtspesen bezahlt. Von Lublin aus erfolgte am 18. 6. um 8.13 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Eilzug die Fahrt nach Krakau, wo um 17.30 Uhr des gleichen Tages die Ankunft erfolgte. In Krakau wurde beim Reserve Polizei Batl. 74/3 Komp. genächtigt. Am 18. 6. wurden von der genannten Kompanie für 16 Mann je eine Tagesverpflegung an die Männer ausgehändigt. Von Krakau wurde die Weiterreise am 19. 6. um 20.08 Uhr ebenfalls mit einem fahrplanmäßigen Eilzug angetreten. Ankunft in Wien Ostbahnhof am 20. 6. 42 um 6.30 Uhr.

5. Aufenthalt des Transportkommandos in Krakau:
Der Aufenthalt des Transportkommandos in Krakau dauerte 26 1/2 Stunden.

6. Grenzüberschreitung:
Die Grenze Reich/Generalgouvernement passierte der Sonderzug auf der Hinfahrt am 15. 6. 42 um 13.45 Uhr, auf der Rückfahrt der fahrplanmäßige Eilzug am 20. 6. 42 um 0.15 Uhr.

7. Verpflegung:
Die Männer des Transportkommandos wurden diesmal für 4 Tage mit der Kaltverpflegung beteilt. Diese bestand aus Wurst, Brot, Marmelade und Butter, war jedoch nicht genügend. In Krakau war die Tagesverpflegung bei der 3. Komp. des Res. Batl. 74 gut und ausreichend.

8. Vorschläge:
In Zukunft wäre die Beteiligung der Männer des Transportkommandos mit der Marschverpflegung notwendig, weil die Kaltverpflegung in den Sommermonaten nicht genügend haltbar ist. Die Wurst es war eine Weichwurst war schon bei der Ausgabe am 15. 6. angelaufen und schlitzig und mußte spätestens am dritten Tage aufgebraucht werden, weil die Gefahr des Verderbens bestand. Für den vierten Tag mußten sich die Männer mit Marmelade begnügen, da auch schon die Butter infolge der großen Hitze in dem Waggon ranzig war. Die Dotierung der Ration ist ebenfalls etwas knapp.

9. Vorkommnisse:
Weder bei der Hinfahrt, Aufenthalten in den Bahnhöfen, noch bei der Rückfahrt ergab sich ein Zwischenfall.
Gez. Fischmann,Revier Lt. d. Schutzpolizei.

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Die Deportation der größtenteils ahnungslosen und mehrheitlich älteren und/oder weiblichen Wiener Juden verlief derart reibungslos, daß sich Leutnant Fischmann auf Probleme wie die Reise im Dritter-Klasse-Wagen, die unzureichende Mannschaftsverpflegung und seine durch die Sommerhitze verdorbene Butter konzentrieren konnte. Unerwähnt blieb dabei freilich, was die eingesperrten Juden während der einundsechzigstündigen Fahrt ohne Wasser und Nahrung in den geschlossenen Viehwaggons durchgemacht haben müssen. Fischmann war sich bei der Übergabe der 949 Juden an das angebliche Arbeitslager Sobibor jedoch durchaus des Umstandes bewußt, daß sie ohne die als arbeitsfähig ausgewählten Juden und ohne Gepäck und Lebensmittel dorthin gebracht wurden. In Sobibor befanden sich die Gaskammern tief im Wald und waren von der Verladerampe aus nicht zu sehen. Doch obwohl ähnliches von Ordnungspolizisten meistens abgestritten wird, haben Fischmann und sein Kommando offenbar das Lager betreten und der "Auswaggonierung" zugesehen.

Mahnwache und Kundgebung
Donnerstag, 9. November 2000 * 18 Uhr
Gedenkstein vor dem ehemaligen Aspangbahnhof (1030 Wien, Platz der Opfer der Deportation)


für diese Ausgabe verantwortlich:
GrünAlternative Jugend Wien und Revolutionsbräuhof