24.08.2000

§248 / Abs 12

Widerstandswoche 30

Berufstätigkeit bei Frauen soll verhindert werden
Sozialministerin Sickl kündigte an, daß Frauen die den Kinderscheck beziehen wollen, einem Berufsverbot unterliegen sollen. Wer so offen das hinter dem Kinderscheck stehende Frauenbild der FPÖ nach aussen posaunt, steht vielleicht bald schon auf dem politischen Abstellgeleis. Und so fragen sich selbst manche Fpler: Wann hat sich's endlich ausgesickelt?

"Aktionskomitee gegen Schwarz-Blau" sieht sich nicht als Organisator der Donnerstagsdemos
Nach den Strafandrohungen gegen Mitglieder des "Aktionskomitee gegen Schwarz-Blau" beriefen diese eine Pressekonferenz ein in der sie feststellten, daß es sich um spontane Demonstrationen "neuer Qualität" handle.
Den Medien gegenüber spreche sich die Regierung für Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus, die Polizei allerdings versuche mit "gezielten Nadelstichen" gegen einzelne Personen, Angst zu verbreiten, zu Verunsichern und die Demos zu kriminalisieren. Polizeispitzel seien in die Demos eingeschleust worden, um gezielt Personen abzuhören. Das Verhalten der Exekutive gehe in Richtung des "Überwachungsstaat", vor dem schon in der Diskussion um Lauschangriff und Rasterfahndung von vielen Seiten gewarnt worden sei, erklärte Magnus.
Angesichts des großen Polizeiaufgebots von - laut Wendt - bis zu 500 Exekutivkräften, stellt er die Vermutung auf, dass "die Demonstranten eigentlich nur Statisten in einer Polizeiübung" seien. Nach seinem Ermessen würden "fünf bis sechs Verkehrspolizisten ausreichen", die Donnerstag-Demos zu begleiten. Für die hohen Kosten dieser Aktionen sei die Polizei somit selbst verantwortlich. "Es handelt sich hierbei um Methoden, um Menschen davon abzuschrecken, ihren Protest kundzutun", so Wendt.
Nun werden Unterschriften gegen das Vorgehen der Staatsmacht gesammelt: "Widerstand ist unser Recht und unsere Pflicht!"

Haider: "Wir wissen, dass in diesem Land alles perfekt ist"
Kärntens Landeshauptmann und Ex-Parteichef der FPÖ, Jörg Haider, fühlt sich in der Überprüfung Österreichs durch die drei EU-Weisen Martti Ahtisaari (Finnlands Ex-Präsident), Marcelino Oreja (ehemaliger spanischer Außenminister) und Jochen Frowein (deutscher Verfassungsexperte) "nicht als Angeklagter, weil die Weisen auch kein Verfahren führen. Das sind ehrenwerte Menschen, die mithelfen, den Unsinn der EU gerade zu bügeln", erklärt Haider in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe).
Einladung nach Heidelberg gebe es auch weiterhin kein, wobei der Kärntner Landes-Chef betont: "Ich pflege nicht, Besuche zu machen, sondern hab sie nach Kärnten eingeladen, damit sie sehen, wie eine freiheitliche Mehrheit regiert." Es sei aber "möglich, dass die Weisen sagen: wir wissen, dass in diesem Land alles perfekt ist".
Von dem Bericht des Weisenrats erwartet sich Haider "ein Begräbnis dritter Klasse" für die Sanktionen. "Der Diktator Milosevic, der des Völkermordes schuldig ist, wird von der EU höflicher behandelt als ein demokratisches Land. Das ist jämmerlich." Und weiter meint Haider: "Entweder wir kriegen unsere Iso-Zertifizierung, dann sind wir die erste ideologisch zertifizierte Partei in Europa. Oder wir kriegen die Verurteilung." Mit einem unfairen Bericht wäre die EU "unser Wahlhelfer". (APA)

Hubsi Kramar bekommt keine Anklage
Es habe am "konkreten Vorsatz" gemangelt, die darin verpönte rechtsextreme Geisteshaltung an den Tag zu legen, so die Staatsanwaltschaft.

Schwarzgrüner Patriot Van der Bellen ?
Politisches Hauptziel des Grünen Bundessprechers Alexander Van der Bellen sei es, die FPÖ aus der Regierung zu entfernen. Im Gespräch mit den "Salzburger Nachrichten" (Samstag-Ausgabe) skizzierte er dazu zwei Möglichkeiten: Entweder wieder Rot-Schwarz Van der Bellen: "Darunter haben wir die vergangenen 50 Jahre gelitten" - oder eine Regierungsbeteiligung der Grünen. Die Grünen wollten nicht "der Schwanz des wedelnden Hundes SPÖ" sein. Wenn sich die ÖVP aber ändern sollte - neues Personal und Richtungswechsel - sei auch "Schwarz-Grün durchaus im Bereich des Denkmöglichen".
"Wenn sich die ÖVP darauf besinnt, dass sie einmal eine christlich-soziale Partei war und die ökosoziale Marktwirtschaft lanciert hat, dann ist nicht auszuschließen, dass es da irgendwann einmal neue Berührungspunkte gibt", wird Van der Bellen zitiert.
In Wien würden die Grünen, falls die SPÖ zu einem Kurswechsel bereit sei, Rot-Grün probieren. Aber auch hier gehe es nicht primär um die Koalition mit der SPÖ, sondern darum, Regierungserfahrung zu sammeln. In anderen Bundesländern könnte das durchaus mit der ÖVP stattfinden.
Im Rahmen des heurigen ORF-TV-"Sommergesprächs" sagte Van der Bellen, er hoffe immer noch, dass die EU verstanden habe, "dass es sich nicht um ein rein österreichisches Problem handelt" - wenngleich sich etwa der deutsche Außenminister Joschka Fischer dahingehend geäußert habe. Zu den Sanktionen der EU-14 gegen Österreich meinte Van der Bellen, er gehe davon aus, dass diese irgendwann im Herbst weg seien, sie hätten ihren "Zweck erfüllt".
Die Lega Nord in Italien habe zwar diesen speziellen Konnex zum Nationalsozialismus nicht, sei deswegen aber nicht harmloser. Bei einem Besuch in Italien im April sei er, Van der Bellen, mit Aussagen des Bürgermeisters von Treviso konfrontiert worden, der sinngenäß gesagt haben solle, man solle Ausländer in Felle einkleiden, damit sie die italienischen Jäger leichter erkennen. "Das ist wohl vollommen jenseits einer zulässigen, akzeptablen Äußerung, solche Äußerungen sind mir von österreichischen Bürgermeistern nicht bekannt." (APA)

Nationalismus und Emanzipation

Der naive Humanismus, eine Anschauungsweise die vom moralistischen Linksradikalismus bis zum Linksliberalismus zu Hause ist, glaubt, überall auf der Welt Menschen und nichts als Menschen sehen zu können. In Wirklichkeit verhält es sich natürlich ganz anders. In der bürgerlichen Gesellschaft ist niemand einfach nur Mensch oder Individuum, sondern immer bürgerliches Subjekt. Das heißt, die Menschen sind mit all ihren menschlichen Regungen, Empfindungen und Bedürfnissen in das Korsett der bürgerlichen Subjektivität gezwängt. Diese bürgerliche Subjektivität bedeutet, das sie sowohl Warenmonaden als auch Staatsbürger sind. Und als solche sind sie stets Nationalstaatsbürger, also Angehörige einer Nation und als solche geborene Nationalisten. Nationalismus ist keine Einstellung von ein paar Rechtsradikalen, sondern weitgehender Konsens in der bürgerlichen Gesellschaft. Er umfaßt jede explizite oder implizite positive Bezugnahme auf eine materiell existente oder ideell vorgestellt, noch zu errichtende Nation.

Staatliche Gewalt und Warentausch

Die Nation entsteht zum einen aus der widersprühlichen Liaison, die Staat und Kapital miteinander eingehen, und zum anderen, aus der zugleich zwanghaften und freiwilligen Integration des Faktors Arbeit in den Staat und damit in die Nation. Die Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft beziehen sich in erster Linie als Warenbesitzer aufeinander. Das ist die vornehmliche Form der Kommunikation in dieser Gesellschaft. Die Menschen treten sich als Subjekte gegenüber, die durch den beabsichtigten Tausch bereits auch Rechtssubjekte sein müssen. Der Warentausch erfordert von vornherein staatliche Herrschaft, die sich positiv auf das Prinzip des Äquivalententauschs bezieht und die gegenseitige Respektierung der Menschen als freie Besitzer der Waren letztinstanzlich durch seine Gewalt garantiert.
Die Warensubjekte sind als nichtstaatliche Subjekte kaum denkbar. Sie wollen den Staat oder besser: sie müssen ihn wollen. Und zwar unabhängig davon, welche Waren sie besitzen und verkaufen, also unabhängig davon, ob sie irgendwelche Industriegüter oder eben mangels anderer Möglichkeiten ihre Arbeitskraft verkaufen. Hier wird klar, warum sowohl der Staatsfetischismus als auch der Nationalismus klassenübergreifende Phänomene sind.
Nun wäre es aber völlig falsch, die Nation als rationales Beiwerk des Warentauschs zu begreifen. Die moderne Nation muß vielmehr als ein Selbstläufer begriffen werden, der, einmal in die Welt gesetzt, nicht unmittelbar aus der Wertverwertung heraus erklärt werden kann, sondern vielmehr ein sowohl ergänzendes als auch konkurrierendes fetischistisches Prinzip zur fetischistischen Wertproduktion und zum Warentausch darstellt. Der Nationalismus setzt sich mitunter - gerade heute - auch gegen seine eigene Grundlage, die tendenziell global agierende und expandierende Wertverwertung, gewaltsam durch. Nationalismus kann unter anderem aus diesem Grund auch als antikapitalistischer daherkommen, ist aber gerade in dieser Ausformung fast immer nur die volksgemeinschaftliche Verteidigung des gerechten Tauschs. Derartiges führt dann gerade auch in der traditionellen Linken zu allerlei Hirngespinsten.

Nationale und soziale Frage

Im schlimmsten Fall will die traditionelle Linke mit den Rechten um die Besetzung der "nationalen Frage" ringen. Vor allem aber will die Bewegungslinke mit den Nazis und anderen um die Beantwortung dessen konkurrieren, was immer als linker Gegenpart, als emanzipative Antwort auf die vermeintlich von rechts aufgeworfene "nationale Frage" gehandelt wird: sie will um die Beantwortung der "sozialen Frage" konkurrieren. Sie weigert sich dabei beharrlich, anzuerkennen, daß diese Frage - insbesondere in postnationalsozialistischen Ländern wie Deutschland und Österreich - immer auch schon ein Teil der Antwort ist: der positive Bezug auf den Staat als imaginierten kollektiven Garanten des Allgemeinwohls des Volkes. Die Kritiker und Kritikerinnen des Antinationalismus betrachten den Nationalismus ihrer Klientel eben nur als aufoktroierte Ideologie. Jener Form antinationaler Kritik hingegen, wie sie hier versucht wird, in Umrissen darzustellen, geht es darum, die Bewußtseinsformen der bürgerlichen Subjekte als notwendigen Ausdruck der fetischistischen Wertverwertung, also der unbegriffenen Kapitalanhäufung, der nicht verstandenen und sich hinter dem Rücken der Beteiligten durchsetzenden Vergesellschaftung zu dechiffrieren. Die bürgerliche Subjektivität, die Warentausch- und produktion will und wollen muß, muß auch das organisierte Gewaltmonopol wollen - den Staat. Da dieser in Form des Nationalstaates existiert, ist die Verkörperung der Warenmonade sowohl in ihrer bourgeoisen als auch in ihrer proletarischen Ausprägung nur als aktiver Nationalist oder aktive Nationalistin zu haben. Da die Affirmation von Tausch, Staat und Nation den Subjekten aber keinerlei Garantie ihrer produktiven Vernutzung, die in der kapitalverwertenden Gesellschaft die einzige Möglichkeit individueller Reproduktion bietet, gibt, drängen sie permanent zur Artikulation einer konformistischen Revolte. Ausdruck dieser konformistischen Revolte sind Antisemitismus und Rassismus, die ebenso wie der Sexismus als Basisideologien des warenproduzierenden und nationalstaatlichen Systems begriffen werden müssen.
Die aus dem Fetischismus der bürgerlichen Produktionsweise resultierende negative Vergesellschaftung bringt die Notwendigkeit einer verdinglichten Darstellung der gesellschaftlichen Beziehungen hervor. Die Herrschaft der abstrakten Wertverwertung erzwingt offenbar die Existenz der Nation als etwas scheinbar Allgemeinem und Wahren. Die Nation dient als positives Konkretum, auf das sich die Subjekte, die sich ja nicht, wie es in der Ideologie der Alltagssprache beschönigend heißt, als Tauschpartner, sondern vielmehr als Tauschgegener gegenübertreten, kollektiv beziehen und mit dem sie sich gemeinschaftlich identifizieren können. Das bürgerliche Subjekt ist nicht in der Lage, Identität aus sich selbst zu gewinnen. Seine Bestimmung ist es, verwertbar und herrschaftskompatibel zu sein. Es muß, soll und will sowohl produktiv als auch staatsloyal sein. Gerade ersteres, also seine Betätigung als produktiv benutz-, vernutz- und verwertbarer Kapitalteil, wird ihm aber immer wieder verwehrt. Um die Identität dennoch aufrecht erhalten zu können, wird es um so loyaler, dient sich, vom Kapital verstoßen, um so heftiger dem Souverän an, dem man in letzter Konsequenz das eigene Leben zur Verteidigung der Nation anbietet.
Die Identifikation mit der Nation ist dabei - wie bereits angedeutet - freiwillig und erzwungen zugleich. Die Rekrutierung der Staatsbürger erfolgt, ohne diese nach ihrem Einverständnis zu fragen - eine Unverschämtheit, die heutzutage als Selbstverständlichkeit durchgeht. Kaum ist man auf der Welt, noch bevor man seinen ersten Laut von sich gibt, ist man schon für das nationale und staatliche Kollektiv zwangsverpflichtet. In der Regel stimmen die bürgerlichen Subjekte dieser Verpflichtung später aber auch zu, meistens nach ersten Erfahrungen mit rechtlich nicht abgesegneter Enteignung von Privateigentum - also wenn man mal beklaut wird - spätestens aber dann, wenn die eigene Arbeitskraft nicht mehr als produktiv gilt und man seine Rechte daher wenigstens damit legitimieren möchte, daß man doch - im Gegensatz zu den durch die nationalstaatliche Einteilung dieser Welt fabrizierten Ausländerinnen und Ausländern - als Zugehöriger zur Nation sein Lebensrecht trotz Unproduktivität noch nicht verwirkt hat. Aber auch ohne solche privaten oder gesellschaftlichen Krisensituationen gilt die Nation und ihr Staat als Einrichtung zum Wohle aller, als Garant, je nach Möglichkeit, Kapital zu verwerten oder die eigene Arbeitskraft zu verkaufen. Die Krise als Normalzustand kapitalistischer Produktionsweise ist dabei aber trotzdem nicht zu vernachlässigen, denn diese Dauerkrise ist es letztlich, die die Potentialität des faschistischen Wahns in jedem noch so demokratisch und humanistisch erzogenen bürgerlichen Nationalstaatssubjekt verankert.
Eine antinationale Kritik, die im weiteren die besondere Widerlichkeit der deutschen und österreichischen Nation zu thematisieren hätte, greift die Nation als Bündelung des wertfetischistischen und damit strukturell antisemitischen, rassistischen und sexistischen Bewußtseins an. Nimmt sich derartige Kritik selber ernst, ist ihr die bewußtlose Fortsetzung des taktierenden Praktizismus versagt. Zur Nation und zum Nationalismus kann es kein taktisches oder strategisches Verhältnis geben, sondern die Nation kann nur Gegenstand der radikalen, auf Abschaffung zielenden Kritik sein - anders gesagt: die Nation ist so ziemlich das Hinterletzte und eine Linke, die sich in irgendeiner Form heute positiv auf sie bezieht, wird kein Jota zu einer Emanzipation beitragen können.


für diese Ausgabe verantwortlich:
Ökologische Linke