10.08.2000

§248 / Abs 10

Widerstandswoche 28

Rassistische Übergriffe

Eine Routinekontrolle mit anschließender Anzeige der beteiligten Beamten durch das Krankenhaus beschäftigt zur Zeit Wiens Polizei.
Mr. Schnabl sieht keinen Grund, die Amtshandlung in Frage zu stellen.
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Im Fall des u. a. am Rathausplatz verprügelten A. Stevenson gibt es polizeiliche Erfolgsmeldungen: Die Täter wären unpolitische Hooligans ...
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Weniger Geld sollen kriegen:

Drogenprojekte: sollen in Hinkunft wohl zusperren. Immerhin will Wien die Förderungen aufrechterhalten.
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Flüchtlingsbetreuung: Tagsatzkürzungen setzen NGOs wie Volkshilfe unter Druck. "Wenn es für die auf Profitabilität ausgerichteten Gewerbebetriebe möglich sei, die Reduktion der Tagsätze hinzunehmen, müßte dies eigentlich auch für eine NGO wie die Volkshilfe gelten." (Kommentar aus dem Innenministerium)
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Freiheit ist:

"Null-Toleranz" gegen "Zigeunersippen" fordert Salzburgs Vizebürgermeister , "weil die Zigeuner nicht bereit sind, sich an die sozialen Regeln zu halten".
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Angesichts zunehmender Gewaltbereitschaft deutscher Neonazis meint Vorarlbergs Landesparteiobmann.
Österreichs Weg einer restriktiven Einwanderungspolitik sei richtig, weil: Die deutsche Bevölkerung ist in der Ausländerpolitik offensichtlich überfordert.
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"Wie alles was die Bürger gerade beschäftigt". wird Wiens F AusländerInnen erneut zum Wahlkampfthema machen so deren Obmann.
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Und das Volk:

Niemals nie würde irgendwer Wiens Vize Görg unterstellen, mit der Freiheit koalieren zu wollen, "schon gar nicht mit Herrn Kabas". So ist das also.
"Frauen gegen Männer" aufhetzen nennt Rauch-Kallat die SP-Frauen Unterstützung für Proteste gegen die geplante "gemeinsame Obsorge". Da können ihr einige DemonstrantInnen sicher die Hand geben.
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Solidaritätsbekundungen für Freiheit und Volk

Dänemarks Volkspartei will die (zumindest) einseitige Aufhebung der Sanktionen erreichen. Bei einem geplanten Solibesuch möchte deren Parteichefin auch die EU-Rassismusbeobachtungsstelle besuchen. Es sei "wohl bekannt, daß sie etwas über die Dansk Folkepartie und mich haben."
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Für die USA bleibt Österreich "guter Freund und Allierter". Herr Innenminister bekam bei seinem Besuch z. b. die Zusage, vom FBI bei der Neuorganisation des österreichischen Kriminaldienstes unterstützt zu werden.
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Nationaler Schulterschluß gegen rechts

Einig gegen rechts präsentieren sich Deutschlands PolitikerInnen. Von harten Strafen, Jobverbot, intensivierter Überwachung im öffentlichen Raum und dem Verbot der NDP wird gesprochen. CDU Böhr bringt es auf den Punkt: "Gegen rechte und linke Straftäter müsse unnachgiebig und schnell vorgegangen werden."
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Während Medien und PolitikerInnen (aus der Ferne) das Grenzcamp in Forst freudig begrüßen es gibt ja doch antirassistische Initiativen nimmt der BGS seine Arbeit á la CDU ernster: Eine ausgiebige Razzia am Campgelände zum Zwecke des Abstellens des dortigen Radioprogramms. Gefunden haben sie nichts. ***

Donnerstags-Demo im Regen:

Während sich der Großteil der DemonstrantInnen gemeinsam mit der organisierten Polizei wetterbedingt davonmachte, gelangten die verbliebenen DemonstrantInnen relativ unbehelligt vor FP-Zentrale, in die Fuzos des ersten Bezirks und zuguterletzt auf die Parlamentsrampe. Ein großes Lob!
Der samstägliche Volxtanz blieb einmal mehr auf dem Ballhausplatz. Widerstandslesung und Musik genossen trotzdem einige.

Streiken organisierte ArbeiterInnen?

Am 28.6. führte der ÖGB einen Aktionstag gegen die Sparmaßnahmen der blau-schwarzen Regierung durch, der allerdings sehr verhalten ausgefallen ist und bei UnternehmerInnen und Regierung keinen Eindruck hinterlassen hat. Im Gegenteil, Schüssel brüstet sich damit, die Pensionsreform ohne große Streiks durchgesetzt zu haben und auf allen Ebenen wurden bereits neue Sozialabbaumaßnahmen angekündigt. Die üblichen Argumente für die mangelnde Streikbereitschaft sind die jahrzehntelange Sozialpartnerschaft und der "Verrat" durch Sozialdemokratie und Gewerkschaft. Es gibt aber andere Gründe, auch wenn in einzelnen Bereichen die Kampfbereitschaft größer war als es der ÖGB "erlaubte". So war die Art der Aktionen auch mit einer realistischen Einschätzung verbunden: zu großspurige Ankündigungen wurden vermieden, um nicht von vornherein eine Niederlage hinnehmen zu müssen. Es gibt zusätzliche Gründe, die eine Aktivierung und Solidarisierung behindern.

Die Zahl der Menschen, die im Dienstleistungssektor tätig sind, hat zugenommen und in diesem Bereich (z. B. Krankenhäuser, Gastgewerbe) sind Streiks prinzipiell schwieriger, weil Verluste zuerst die KundInnen spüren und erst in zweiter Linie die Firmen. Im Produktionsbereich (z. B. Autoindustrie) wird zuerst dem Konzern geschadet und erst in längerfristiger Sicht merkt die Kundin etwas vom Mangel. Die traditionelle ArbeiterInnenbewegung hat diesen Bereich immer vernachlässigt, mit ein Grund, warum Frauen noch immer weniger verdienen und schlechtere Arbeitsbedingungen haben.
Die "neuen" Arbeitsverhältnisse erschweren die Möglichkeit der Arbeitsverweigerung. Die Intensivierung der Arbeit wird durch Teamarbeit, gegenseitige Kontrolle und Selbstdisziplin erreicht. Auch durch Auslagerungen in kleinere Subunternehmen steigt die "Eigenverantwortung", die eine Identifizierung mit dem Betrieb fördert. Der einheitliche Zeitrahmen (die Unterscheidung zwischen Arbeitszeit und Freizeit, Fünf-Tage-Woche mit vierzig Stunden Arbeit) wird immer stärker unterlaufen. Die Zeiteinteilung wird zwischen dem Unternehmen und der einzelnen ArbeiterIn ausgehandelt, meistens (aber nicht nur) zu Gunsten des Unternehmen. Teilweise wird das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Lohn ganz aufgelöst. Immer mehr Arbeit bekommt Projektcharakter, besonders mit Werkverträgen, die Arbeitskraft wird nicht mehr als Arbeitszeit verkauft, sondern als fertiges Produkt. Der ÖGB hat nicht vorrangig Mitglieder verloren, weil er zu wenig kämpferisch gewesen wäre, sondern weil sich die zunehmende Zahl von Menschen in den neuen Arbeitsverhältnissen nicht vertreten fühlen.

Die Veränderung der Arbeitsverhältnisse findet seit Jahrzehnten statt und hat zu einem großem Teil schleichend stattgefunden. Meist indem die alten unrentablen Bereiche geschlossen wurden, während massiv neue Strukturen, neue Firmen entstanden sind, die als SiegerInnen im Konkurrenzkampf die schlechteren sozialen Bedingungen mit relativ hohen Löhnen durchsetzen konnten.

Die scheinbaren Wettbewerbsnachteile sowohl was die "alten" Betriebsstrukturen betrifft wie auch die Konkurrenz um den Standort, schafft ein unterschwelliges Bewußtsein der Überholtheit der eigenen Position. Wenn die Regierung jetzt diese Bereiche angreift, ist die Empörung zwar ziemlich groß, das gegenseitige Ausspielen um die angeblichen Privilegien des Pensionssystems konnte aber den höchstmöglichen Wirkungsgrad erreichen.
Die relative Sicherheit der gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen wurde in einer Zeit erreicht, in der Mann und Arbeiter der "Familienerhalter" war und die Hausfrau für den Mann da war, seinen Dreck wegputzte und um die Kinder zu sozial unauffälligen ArbeiterInnen zu erziehen. Das hat sich geändert, jetzt arbeiten viel mehr Frauen, noch immer schlechter bezahlt und weniger abgesichert. Im Gegensatz zu früher wollen die meisten Frauen aber nicht mehr weg vom Job, um eine "glückliche Hausfrau" zu werden, sondern die gleichen Chancen haben wie die Männer. Wieso sollten Frauen jetzt den Kampf um die Privilegien der Männer bedingungslos unterstützen? Auch die "fortschrittlichen" Männer haben sich bisher kaum um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen gekümmert. Die Männer in geschützten Bereichen müssen zwar fürchten, zuungunsten der UnternehmerInnen zu verlieren, können aber hoffen, einen Großteil der Privilegien gegenüber den Frauen zu behalten, wenn nicht sogar von der Zurückdrängung von Frauenforderungen zu profitieren.

Menschen mit österreichischem Paß hatten immer schon Privilegien als StaatsbürgerInnen. Österreich war vor dieser Regierung ein rassistischer Staat, ein großer Teil der StaatsbürgerInnen glaubt gemeinsam mit den Eliten in Politik und Medien an die ethnische Zugehörigkeit sozialer Probleme: Die Schlagworte "Ausländerkriminalität", "russische Mafia" "polnische Autoschieber" "nigerianische Drogendealer" werden nicht nur geglaubt, weil es die Kronenzeitung schreibt, sondern bedeuten die psychische Bestätigung der eigenen Sicherheit. Wie haltlos diese Projektionen sind, zeigt die Verschiebung der ethnischen Feindbilder innerhalb weniger Jahre, waren es anfangs die RumänInnen, später dann die "drohende Flut" der AlbanerInnen (dazwischen einmal Millionen von RussInnen), wird jetzt, wo es kaum noch Menschen gelingt, die Schengengrenzen überhaupt zu erreichen, die "nigerianische Drogenmafia" konstruiert.

Ein wichtiger Teil der Bewegung gegen schwarzblau hat ihren Ursprung im Antirassistismus. Im letzten Frühjahr organisierten sich AfrikanerInnen in Wien gegen Polizeiübergriffe, die meistens nur an die Öffentlichkeit kamen, wenn aus Versehen ein UNO-Beamter erwischt wurde. Nach der Ermordung Omofumas hat es das erstemal auch eine größere Demonstration gegeben, die MigrantInnen und ÖsterreicherInnen erreichte. Durch die "Operation Spring" wurden die Organisationsansätze der AfrikanerInnen zerschlagen, aber auch die Grundlage für die Eier und Tomaten gegen die SPÖ am 12. November 1999 und für die Bewegung gegen die neue schwarzblaue Regierung ab Februar 2000 gelegt.
Der "Widerstand" kommt aus Bereichen, die den Menschen kaum Sicherheit bieten und nicht gewerkschaftlich abgesichert sind. Werden ArbeiterInnen angegriffen, wo durch die gewerkschaftliche Organisierung ein Streik möglich wäre, gibt es einige gravierende Hindernisse: (A) die unter den schlechtesten Bedingungen arbeitenden Frauen im Dienstleistungssektor sind nur am Rand beteiligt, (B) die zahlreichen Menschen in neuen Arbeitsverhältnissen stehen außerhalb und werden nur als KonkurrentInnen gesehen und außerdem (C) profitieren sie von der sexistischen und rassistischen Politik der Regierung. Sollte es doch zu Kampfmaßnahmen und Streiks z.B. im öffentlichen Dienst kommen, wird wahrscheinlich wie schon beim Aktionstag am 28. Juni jede Gemeinsamkeit mit dem "Widerstand" vermieden werden (auch wenn dieser nicht so antirassistisch und antisexistisch ist, wie er nach außen erscheint, aber dort werden diese Probleme wenigstens diskutiert).

P. S.: Wenn etwas in Bewegung kommt, dann wird das vermutlich in Bereichen sein, in denen Frauen (HausbesorgerInnen, Gemeindebedienstete) oder MigrantInnen (Krankenhäuser) zahlenmäßig eine größere Rolle spielen, auch wenn die SprecherInnen jeweils Männer und Österreicher sind. Diese Menschen werden dann auch Aktionsformen zusätzlich zu oder statt Streiks finden, so wie z.B. die Gemeindebediensteten ihre Betriebsversammlung auf die Straße verlegt haben.


für diese Ausgabe verantwortlich:
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