04/2011

Bewegungsfreiheit statt Fremdenrecht!

Flyer gegen die Fremdenrechtsnovelle 2011 - another brick in the racist wall...

Ende April soll die Fremdenrechtsnovelle 2011 im Parlament beschlossen werden. Dagegen organisiert sich in ganz Österreich breiter Widerstand.

Rassistische Gesetze haben Kontinuität

Diese Novelle ist nur eine Verschärfung von vielen, sie gliedert sich nahtlos in eine langjährige rassistische Gesetzgebung ein. Diese wird von einem rassistischen Konsens aller Parlamentsparteien getragen, der darin besteht, dass Migrant_innen „nützlich“ für Österreich sein müssen. Die jeweiligen Verschärfungenen riefen immer auch Proteste hervor, und wurden sowohl aus bürgerlich-liberaler wie auch aus antirassistischer Perspektive angegriffen. Die Selbstorganisierung und Kritik von Migrant_innen spielte dabei eine wichtige Rolle. Gerade weil rassistische Gesetzgebung stärker verankert ist als die jeweiligen Regierungen, ist es wichtig, sich nicht nur auf aktuelle Minister_innen zu konzentrieren, sondern Rassismus auf allen Ebenen anzugreifen.

Die Rede von der Integration

Wenn im öffentlichen Diskurs Abschiebungen kritisiert werden, ist oft die Rede von „gut Integrierten“, „Unbescholtenen“ und „Arbeitswilligen“, womit gleichzeitig eine Abgrenzung zu den imaginierten – vermeintlich „kriminellen“ und nicht integrationswilligen „Anderen“ geschieht. Nicht zufällig richtet sich die mediale Aufmerksamkeit auf (mögliche) Abschiebungen von Kleinfamilien, die ja auch gut die österreichischen konservativen Werte repräsentieren. Wer schon hier ist und sich bisher „benommen“ hat (und sich weiterhin „benimmt“), soll bleiben dürfen. Die Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Migrant_innen folgt dabei einer rassistischen Logik. Die staatliche Logik der Inklusion und Exklusion wird nicht hinterfragt, bedauert wird oftmals nur, dass die „falschen“ ausgeschlossen würden.

Das ständige Sprechen über Integration produziert und reproduziert ein angebliches Anderssein, stellt Teile der Gesellschaft unter Generalverdacht und übersieht die Vielfältigkeit von Lebensentwürfen. In der öffentlichen Debatte wird über Migration und Migrant_innen fast ausschließlich als Konfliktquelle gesprochen. Aus dieser Perspektive scheint es selbstverständlich, dass Migration auf die eine oder andere Weise reguliert werden müsse.

Das Fremdenrecht – ein Instrument rassistischer Politik

Als Instrument der Regulierung dient in Österreich das Fremdenrecht. Es regelt, wie mit Menschen umgegangen wird, die sich in Österreich aufhalten aber keine österreichische Staatsbürger_innenschaft haben – die Unterscheidung in “Österreicher_innen” und “Fremde”, festgemacht an einem Stück Papier. Wie Menschen zu einer gewissen Staatsbürger_innenschaft gelangen, liegt dabei meist außerhalb ihres Einflussbereiches: Üblicherweise werden Menschen per Geburtsort oder Abstammung zwangsweise zu Staatsbürger_innen eines Staates. Mit der Staatsbürger_innenschaft – quasi ein spezieller Vertrag – bekommt mensch Rechte zugesprochen (soweit es sich um einen Rechtsstaat handelt), muss aber auch gewisse Pflichten befolgen. Des weiteren erlauben sich Staaten meistens, über “ihre” Staatsbürger_innen und über „Fremde“ auf ihrem Territorium zu verfügen – was unter anderem dazu führt, dass ein Staat Menschen abschieben kann und diese dann von einem anderen Staat als die “seinigen” anerkannt und aufgenommen werden. Erst Staatsgrenzen ermöglichen die Feststellung, ob sich ein Mensch an einem Ort mit gültigem Aufenthaltstitel aufhält. Auch Harmonisierungen auf EU-Ebene ändern nichts an diesem Prinzip. Seit Österreich der Europäischen Union und vor allem dem Schengener Abkommen beigetreten ist, haben diese Striche auf der Landkarte innerhalb der EU an Bedeutung verloren, die Kontrollen haben sich in das Landesinnere verlagert. Zusätzlich haben die EU-Außengrenzen stark an Bedeutung gewonnen, eine massive Abschottung dieser ist die Folge. Für Flüchtlinge ist das Dubliner Übereinkommen von Bedeutung: Es regelt, welcher Staat für das Asylverfahren zuständig ist, was dazu führt, dass Menschen innerhalb der EU von einem Staat zum anderen abgeschoben werden können.

Alles was Recht ist...

Anstatt diese Grenzziehungen grundsätzlich in Frage zu stellen und das Fremdenrecht als Instrument rassistischer Politik anzugreifen, werden oft „nur“ dessen brutalste Teile als „Unrecht“ kritisiert, und die Rechtsstaatlichkeit ins Treffen geführt. Auch Forderungen nach (menschen)rechtskonformen Abschiebungen werden immer wieder gestellt. Die Annahme, das Fremdenrecht würde einer Rechtsstaatlichkeit widersprechen, trifft allerdings meistens nicht zu. Rassismus hat in Österreich lange Tradition und schlägt sich auch im Recht nieder. Somit ist es zum Beispiel möglich, dass Abschiebungen ebenso wie willkürliche Razzien bei Leuten ohne österreichischer Staatsbürger_innenschaft von der demokratischen Rechtsstaatlichkeit gedeckt sind. Denn Rechtsstaatlichkeit heißt nicht automatisch Gerechtigkeit. Recht ist immer auch ein Herrschaftsinstrument: Einerseits bildet es herrschende Normen ab und verfestigt diese durch Sanktionierung nonkonformen Verhaltens, andererseits sichert es Interessen der dominanten Mehrheit.

Ein “humanes Fremdenrecht” gibt es nicht!

Die Debatte über ein „humanes Fremdenrecht“ ist daher absurd, denn ein solches gibt es nicht! “Humane Abschiebungen” und “familiengerechte Schubhaft” dienen nur dazu, Folter und Mord, Haft und rassistische Gewalt zu verbergen: Auch schöne Schubhaftzentren und Beamt_innen in zivil dienen gewaltsamen Internierungen und Abschiebungen.

Für bedingungslose Bewegungs- und Bleibefreiheit!

Statt selektiver Solidarität mit nur manchen Menschen fordern wir ein grundsätzliches Umdenken und Brechen mit dem rassistischen Konsens. Alle Menschen sollten selbst entscheiden können, wo sie leben möchten – dass nur ganz wenige privilegierte Personen diese Möglichkeit haben, ist klar rassistisch. Was gibt einem_einer österreichischen Staatsbürger_in im Gegensatz zu allen anderen Menschen das bedingungslose Recht, hier zu leben – das Privileg, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort von bestimmten Eltern geboren worden zu sein? Migration findet statt. Sie ist eine Selbstverständlichkeit in allen Lebensbereichen und fixer Bestandteil unserer Welt. Aus einer antirassistischen Perspektive müssen wir die Utopie einer grenzenlosen Gesellschaft immer wieder neu formulieren und über die genauso wichtige Kritik an spezifischen Verschärfungen hinausgehen.

... we don’t want no deportations!

we don’t need no police control!


Zur langen Version dieses Textes findest du hier.