08.03.2012

Free Pussy Riot!

Seit Oktober 2011 sind sie aktiv - die Aktivist_innen von Pussy Riot. Sie nehmen sich den öffentlichen Raum und tauchen in U-Bahnen oder auf öffentlichen Bussen auf, um dort ein Konzert zu machen. Nehmen den Roten Platz in Beschlag um ihre Statements rauszuschreien, oder irritieren die Hölle aus anwesenden Nonnen und Kirchengänger_innen mit ihrer Inszenierung in der "Christi Erlöser"-Kathedrale. Pussy Riot ist keine homogene Gruppe, sie sind nicht einfach nur eine Punk Band, vielmehr ein loser Zusammenhang - undogmatisch links, feministisch, laut und vor allem: unangepasst. Ihre Auftritte in knalligen Kleidchen und Häkel Hassis - gepaart mit pointierten politischen Songs - erregen nicht nur viel Aufmerksamkeit, sondern bringen auch einigen Ärger.

Sie lassen sich nicht klassisch kategorisieren, auch wenn diverse Mainstream Medien sie am liebsten auf die Kategorien "Anti-Putin-Proteste" oder "regierungsfeindliche Punk Band" reduzieren wollen. Pussy Riot sparen nicht mit Kritik an Kirche und Nationalismus, sie sind explizit feministisch, antisexistisch und treten klar gegen Homophobie und Rassismus auf.
Das macht sie auch innerhalb der Opposition gegen Putin nicht unbedingt beliebt. Mit den Inhalten, die Pussy Riot über ihre Aktionen transportieren, ecken sie wenig überraschend im Mainstream extrem an. Feministische und klare antisexistische Positionen sind unbequem, ihre Auftritte sind provokant und transportieren klare Statements gegen die HERRschenden Zustände.

Nach dem Auftritt am 21. Februar in der "Christi Erlöser" Kathedrale, wo sie einen Anti-Putin Song einem maximal ungeneigten Publikum zum Besten gaben, setze eine massive Medienhetze ein, welche sich quer durch den Mainstream zog. Die Forderungen, was mit den Pussy Riot Aktivist_innen passieren solle - von der Forderung von "öffentlichem Auspeitschen" oder einer Steinigung bis zur direkten Androhung von sexualisierter Gewalt - zeigen den massiven Hass gegen Frauen im allgemeinen und gegen Feministinnen im speziellen deutlichst auf.

Selbst die Führung der russisch-orthodoxen Kirche wurde aktiv und forderte von der Justiz ein hartes Vorgehen. Nicht wenig verwunderlich also, dass am 27.2. vermeldet wurde, dass nach Artikel 213/2 ("besonders schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung, organisiert als Gruppe, Aufhetzen gegen religiöse Lehren") ermittelt wird. Der angedrohte Strafrahmen: Bis zu 7 Jahre Knast. Bisher wurde dieser Artikel nicht in der Verfolgung von politischen Gegner_innen eingesetzt, womit diese Vorgangsweise eine neue Repressionsqualität darstellt. Anscheinend soll ein Exempel statuiert werden - bisher wurde üblicherweise der "Extremismus"-Paragraph (bis zu 2 Jahre) herangezogen, um Aktivist_innen ins Gefängnis zu bringen - immer noch absurd genug.

Pussy Riot blieben trotzdem weiterhin aktiv und haben in Folge unter anderem einem Radiosender ein Interview gegeben. Die Polizei hat daraufhin über die Medien angekündigt, dass sie die Radio-Journalist_innen verhören werden, und sind schliesslich mit Sondereinheit beim Radiosender aufgetaucht, haben dort Material beschlagnahmt und den Leiter des Senders verhört. Dieser vermeldete über Twitter, dass laut den Ermittler_innen eine eigene Sonderkomission eingerichtet wurde - welche Bericht nach "ganz oben" erstatten würde. "Chefsache" quasi.

Am 3. März gab es die ersten Verhaftungen - durchgeführt von Spezialeinheiten. In der ersten Anhörung wurde ihnen absurderweise vorgeworfen, sie wären untergetaucht, obwohl alle Verhafteten gerade in der Arbeit, zuhause oder auf dem Weg dorthin waren. Zwei der Verhafteten wurden bald wieder freigelassen, und gelten nun als Zeug_innen. Zwei andere Frauen befinden sich hingegen weiterhin in U-Haft. Sie wurden bei den Verhören massiv unter Druck gesetzt, ihre Anwält_innen wurden tagelang nicht vorgelassen. Die Betroffenen haben jede Aussage verweigert.

Am 5. März wurden die Inhaftierten dem Haftrichter vorgeführt - laut Beobachter_innen und Anwält_innen eine einzige Farce - über beide wurde U-Haft bis mindestens zum 24. April (bis zur nächsten Anhörung) verhängt. Angeblich würde Fluchtgefahr bestehen - obwohl beide Verhafteten kleine Kinder haben. Seit ihrer Verhaftung befinden sich die Betroffenen Frauen im Hungerstreik. Sie protestieren gegen ihre rechtswidrige Inhaftierung und die Kriminalisierung von politischem Aktivismus.

Der breite Mainstream zeigt sich größtenteils mit der Repression gegen Pussy Riot zufrieden. Sogar der Gerade-Noch-Premierminister Putin himself hat sich zu Wort gemeldet, rasch mal die Angelegenheit zur Chefsache erklärt, und versprochen solch unerfreuliche Vorkommnisse - er meint natürlich die Auftritte in Kirchen, nicht die staatliche Repression - in Zukunft zu verhindern.

Daneben gibt es aber auch die eine oder andere kritische Stimme, so manche fordern "Milde walten zu lassen" - wohl nicht zuletzt vom hohen Strafausmaß schockiert.

Darüber hinaus kommt es aber auch immer wieder zu Solidaritätsaktionen, beispielsweise vor der Polizeistation, wo die Betroffenen einsitzen. Die Proteste finden dabei sowohl online als auch offline statt, für den 8. März - also den internationalen Frauenkampftag - sind Aktionen und Kundgebungen In diversen Ländern angekündigt.

Free Pussy Riot! Fight Repression! Smash Sexism!